Wer hier einmal drin ist, findet nicht mehr so einfach wieder raus. Der Versuchsstollen Hagerbach ist ein wahrliches Labyrinth. Ein fünf Kilometer langes Wirrwarr voller Verzweigungen, versteckter Durchgänge und geheimnisvoller Räume. «Ich habe einen Monat dafür gebraucht, mich hier zurecht zu finden», sagt Michael Kompatscher, Geschäftsführer der Versuchsstollen Hagerbach AG.
Es ist kühl, feucht und die Luft riecht anders
Etliche Räume befinden sich im Stollen, versteckt innerhalb des Alvier-Massivs bei Flums. Es ist kühl, feucht und die Luft riecht anders, nicht müffelnd, einfach anders. Tageslicht ist so oder so kein Thema, die Räume und Tunnels werden mit künstlichem Licht erhellt. Dennoch gibt es Menschen, die in einem der Räume ihren wohl schönsten Tag des Lebens verbringen: die Hochzeit.
Klingt schlimmer, als es wirklich ist. Die Mehrzweckräume sind geheizt, schön gestaltet und individuell geschmückt: Bei den einen hängen leuchtende Lampions von der Decke, bei anderen zieren kunterbunte Regenschirme den Anblick. Die Gestaltung ist eines, was für den Stollen spricht, für die Partywütigen birgt dieser aber weitere Vorteile: «Hier kann man so viel Lärm machen, wie man will, es stört niemanden», sagt Jan Barth, Leiter für Seminare und Events.
Das Alpenmassiv schluckt den Lärm gänzlich, selbst Schüsse sind für die Aussenwelt unhörbar. So steht versteckt in den Tiefen des Stollens auch eine Schiessanlage. Diese ist aber privat und für die Öffentlichkeit unzugänglich.
«Solche Erlebnisse vergisst man nie mehr»
Der Versuchsstollen Hagerbach ist voller Überraschungen. So führt einen das Stollen-Netzwerk früher oder später in eine dunkle Sackgasse. In dieser steht ein alter, schon beinahe nostalgischer SBB-Zug. Plötzlich beginnt es zu zischen und zu qualmen, der Zug füllt sich mit dichtem Rauch, Orientierung im Innern des Zuges ist unmöglich. Dies ist Teil des Besucher-Rundganges: «Solche Erlebnisse vergisst man nie mehr. Am Pult ein Video anzusehen, ist nichts dagegen», sagt Kompatscher. Die Rauchversuche sollen aufzeigen, wie es ist, sich in der Dunkelheit in einem brennenden Zug zu befinden.
Unterirdisches Datenzentrum
Mit Versuchen übernimmt der Stollen also eine Art gesellschaftliche Verantwortung, so auch mit der Forschung, welche dort betrieben wird. «Wir glauben, dass auch im Unterirdischen ein Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanzen geschaffen werden kann», antwortet Kompatscher auf die Frage, warum ausgerechnet im Stollen geforscht wird.
So steht im Stollen seit zwei Wochen auch ein nigelnagelneues Mikro-Datencenter. Dieses soll die Wichtigkeit von unterirdischen Datenzentren für die Stadtentwicklung aufzeigen: «Warum wertvolles oberirdisches Land verbauen, wenn es sinnvoller und effizienter ist, solche Datenzentren unterirdisch zu bauen», sagt Kompatscher.
Forschung ist im Stollen an sieben Tagen, 24 Stunden am Tag, und immer zu denselben Bedingungen möglich. Egal ob Sommer, Herbst, Winter oder Frühling - das Thermometer zeigt konstant 15 Grad an, sofern die Räume ungeheizt sind. «Diese Bedingungen sind ideal», meint Kompatscher.
Jubiläum im nächsten Jahr
Bedingungen, die wohl weitere Projekte anziehen werden. Der Versuchsstollen Hagerbach wird fortlaufend grösser. Nächstes Jahr feiert er sein 50-jähriges Bestehen. «Der Grundriss des Stollens kann sich in den nächsten Jahren erweitern», sagt Kompatscher. Erweitern um neue Verzweigungen und Räume, die das Stollen-Labyrinth vergrössern.