Uzwil

«Einsprache richtet sich nicht gegen Menschen»: Thurklinik fordert Stopp bei Flüchtlingszentrum

29.12.2022, 19:03 Uhr
· Online seit 28.12.2022, 11:36 Uhr
Im Seniorenzentrum Marienfried in Uzwil soll ein Flüchtlingsheim entstehen. Nun verlangt die Thurklinik, dass ein Baubewilligungsverfahren durchgeführt wird und bis dahin die Nutzung gestoppt wird.
St.Galler Tagblatt/pd/mas
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Die Gemeinde Uzwil plant im kürzlich geschlossenen Seniorenzentrum Marienfried ab Anfang Januar ein Flüchtlingsheim. Der Zweckverband Seniorenzentrum Uzwil als Eigentümerin des Hauses Marienfried hat mit dem Trägerverein Integrationsprojekte St.Gallen (TISG) einen Mietvertrag abgeschlossen.

Die unmittelbare Anstösserin, die Thurklinik – im anderen Teil des Hauses Marienfried untergebracht – fordert jetzt von der Gemeinde die Durchführung eines Baubewilligungsverfahrens und bis zum Abschluss des Verfahrens einen Nutzungsstopp, heisst es in einer Medienmitteilung. Ausserdem soll der Uzwiler Gemeindepräsident in den Ausstand treten, berichtet das «St.Galler Tagblatt».

Aus der Zeitung davon erfahren

«Für die kleinsten baulichen Eingriffe, die einen Nachbarn beeinträchtigen könnten, braucht es heute ein Baubewilligungsverfahren mit Einsprachemöglichkeit», lässt sich der Wiler Rechtsanwalt Raphael Fisch in der Mitteilung zitieren. «Da kann es nicht sein, dass mein Mandant aus der Zeitung erfahren muss, dass die Gemeinde Uzwil aus einem ruhigen Altersheim ein Asylzentrum schaffen will. Das in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Klinik und innerhalb eines Monats.»

Mandant ist der Gynäkologe Hossein Schams, Inhaber der Thurklinik. Der Anwalt hat noch vor Weihnachten bei der Gemeinde Uzwil eine schriftliche Eingabe gemacht und fordert darin, dass «für die beabsichtigte Umnutzung der Liegenschaft (…) das ordentliche Baubewilligungsverfahren durchzuführen» sei. Bis zum rechtskräftigen Abschluss sei ein Benützungsverbot zu erlassen, wie das in Fällen ohne bestehende Baubewilligung üblich sei.

Umnutzung führt zu Verdoppelung der Kapazität

Begründet wird die Forderung damit, dass mit der Umnutzung eine Verdoppelung der Kapazität erfolgt, ist weiter zu lesen. Wo bisher maximal 58 betagte Menschen ein beschauliches Leben führten, sollen jetzt bis zu 116 Menschen untergebracht werden, vor allem junge Männer aus Afghanistan. «Das ist eine massive Änderung der Nutzung, was auch bauliche Konsequenzen haben muss, wie etwa die Erweiterung der Infrastruktur oder die Schaffung von Fluchtwegen», heisst es weiter vom Anwalt.

Dazu komme, dass die Thurklinik als unmittelbare Anstösserin bei so wenig Vorlaufzeit keinerlei Möglichkeit gehabt habe, eigene Massnahmen bezüglich Betriebskonzept, Lärmschutz oder Sicherheit zu ergreifen.

«Unsere Einsprache richtet sich nicht gegen die Menschen, die dort einziehen sollen», sagt Jasmin Schams, Vertreterin des Inhabers der Thurklinik. «Mein Vater kommt aus dem Iran, dem Nachbarland von Afghanistan.» Hossein Schams, der die Klinik 1997 übernommen hat, sei kürzlich in sein Heimatland gereist und habe medizinisches Equipment und Medikamente gebracht.

Gemeindepräsident soll in den Ausstand treten

Wenig Verständnis habe die Familie Schams aber für die Behörde von Uzwil und vor allem für den Gemeindepräsidenten Lucas Keel, heisst es weiter. «Mein Mandant fühlt sich überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt», sagt Anwalt Raphael Fisch. «Es ist ein offenes Geheimnis in Uzwil, dass beide Parteien Interesse am ehemaligen Altersheim haben, das früher ja ein Teil der Klinik war.» Die Thurklinik möchte eine Erweiterung ihres medizinischen Angebotes zu einem regionalen Gesundheitszentrum realisieren, die Gemeinde mittelfristig ein Schulhaus.

Noch etwas Weiteres erstaunt den Rechtsanwalt in diesem Fall: «Man erlebt es selten, dass eine Gemeinde von sich aus auf den Kanton zugeht und diesem ein Asylzentrum anbietet, die meisten wehren sich dagegen.»

Ausserdem beanstandet der Anwalt des Klinikinhabers in seinem Schreiben, dass der Uzwiler Gemeindepräsident in einer Doppelrolle auftritt: «Keel war früher Präsident des Zweckverbandes Seniorenzentrum Uzwil, Grundeigentümer des Altersheims Marienfried. Sein Stellvertreter im Gemeinderat, Ruedi Müller, ist aktuell Präsident des Zweckverbandes.» Da bestehe ein Interessenkonflikt, weshalb in der Eingabe verlangt werde, dass die beiden in ihrer Funktion als Präsident und Vizepräsident der Baukommission in den Ausstand treten.

veröffentlicht: 28. Dezember 2022 11:36
aktualisiert: 29. Dezember 2022 19:03
Quelle: St.Galler Tagblatt

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