Rapperswil-Jona

Geduld und Feingefühl: Einblick in den Beruf einer Babyfotografin

09.09.2020, 13:33 Uhr
· Online seit 09.09.2020, 08:55 Uhr
Monika Caviezel war eine der ersten Babyfotografinnen in der Schweiz. In ihrem Studio in Rapperswil-Jona hat sie nun schon über 1500 Babys fotografiert. Ein Besuch zeigt, dass der Beruf viel Gefühl und Erfahrung erfordert.
Jasmin Stihl
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Als Monika Caviezel die Tür zu ihrem Studio öffnet, wird einem warm. Nicht nur, weil der Raum sehr warm ist, sondern auch, weil Monika Caviezel mit ihrer Art Wärme und Herzlichkeit ausstrahlt. Im über 100 Quadratmeter grossem Raum sind sanfte Gitarren- und Klavierklänge zu hören. Sorgfältig sind zahlreiche Kleidchen in Pastelltönen aufgehängt und Accessoires wie Stirnbänder und Plüschtiere eingeordnet. Alle nach Farbe sortiert. «Gleich wird das Baby da sein», sagt Caviezel freudig.

«Auf diesen Namen bin ich ziemlich stolz»

Dieses Jahr feiert die 47-Jährige ein Jubiläum. Seit genau zehn Jahren fotografiert sie Neugeborene und Kleinkinder. «Das Jubiläum fühlt sich grossartig an. Ich habe schon unzählige schöne Momente erlebt», sagt Caviezel. Zuvor war die Rapperswilerin Säuglingspflegerin auf dem Wochenbett. «In meiner Freizeit habe ich jedoch immer kreativ gearbeitet. Ich habe viel mit Acryl gemalt, getöpfert oder fotografiert», sagt Caviezel.

Vor zehn Jahren habe sie dann beschlossen, sich als Fotografin selbständig zu machen. Zu Beginn habe sie sich nicht nur auf Babyfotografien fokussiert. «Ich bin mehr in diese Sparte reingerutscht», sagt Caviezel. Die Mütter hätten gemerkt, dass sie viel Erfahrung mit Babys habe und eine gewisse Sanftheit und innere Ruhe ausstrahle. «Aus diesem Grund habe ich dann bald nur noch Buchungen für Neugeborene erhalten», sagt Caviezel. So wurde sie eine der ersten Babyfotografinnen in der Schweiz. «Unter meinen Kunden werde ich oft ‹Babyflüsterin› genannt. Auf diesen Namen bin ich schon ziemlich stolz», sagt Caviezel.

Es braucht viel Zeit für ein Shooting

Am Boden sind bereits drei Shooting-Sets hergerichtet. Alle mit Leinwand, Körbchen und den passenden Babyoutfits. Inzwischen hat es geklingelt. «Auf dich habe ich mich heute riesig gefreut», sagt Monika Caviezel mit heller Stimme zu Baby John und fragt gleich nach dem Wohlbefinden von Karin, Johns Mutter. Cornelia, die beste Freundin, ist auch dabei. Sie war auch schon eine Kundin von Caviezel.

Sanft nimmt die Babyfotografin das zwölf Tage alte Baby in ihre Arme und streichelt das Gesicht des Kleinen. Sie plaudert mit ihm und zeigt Karin die vorbereiteten Sets. Es herrscht eine Wohlfühl-Atmosphäre wie in einem Wohnzimmer.

«Ich plane mir immer genug Zeit für ein Shooting ein, so dass ja kein Stress herrscht. Die Mutter soll Zeit haben, das Baby zu stillen und alles drumherum», sagt Caviezel. Dass die 47-Jährige viel Geduld besitzt und die Babys zu verstehen scheint, merkt man. Während sie John eines der drei Outfits anzieht, gibt sie der Mutter viele Tipps im Umgang mit Babys. Beispielsweise verwendet die Babyfotografin eine App, die Geräusche des Mutterleibs nachahmt. Die Klänge sollen die Neugeborenen beruhigen.

«Meine kleinen Models müssen satt sein»

Als Karin ihr Baby gestillt hat und John dann gemütlich eingeschlafen ist, setzt Caviezel den Kleinen in ein Körbchen und beginnt zu fotografieren. «Das Baby soll natürlich aussehen. Ich setze es nicht extra in eine bestimmte Pose, die für das Baby unbequem sein kann», sagt Caviezel. Ihr sei wichtig, dass das Baby zufrieden ist. Immer wieder spricht sie mit John und berührt ihn sanft. Als John während des Shootings unruhig wird, macht sie eine Pause. «Wahrscheinlich hat der Kleine wieder Hunger», sagt sie zur Mutter. «Das Wichtigste ist, dass meine kleinen Models satt sind», sagt Caviezel und lacht.

«Die Arbeit ist Gefühlssache»

«Ich bin froh, dass das Shooting so gut verläuft. Ich hatte Angst, dass er die ganze Zeit weinen wird», sagt Karin. Eine Befürchtung, die viele Mütter haben. Passiert sei sowas in zehn Jahren aber noch nie. «Ich musste noch nie ein Shooting wiederholen», sagt Caviezel. «Es kann schon sein, dass das Baby Bauchweh hat oder sonst etwas nicht stimmt, aber dann geben wir ihm die Zeit, die es braucht.»

Nach dem Shooting bearbeitet Caviezel die Fotos und sendet sie den Familien zu. «Das Fotografieren habe ich hauptsächlich von meinem Lebenspartner gelernt und mir auch vieles selbst beigebracht», sagt Caviezel. Ebenfalls besucht sie regelmässig Workshops und überlegt sich neue Sets. Sie sagt: «Über die Jahre habe ich meinen eigenen Stil entwickelt», und fügt hinzu: «Oft sagen mir Kunden, dass meine Bilder einen Wiedererkennungswert hätten. Das freut mich immer wieder zu hören.» Denn es gebe zunehmend mehr Leute, die sich als Babyfotografen versuchen.

«Manchmal habe ich gedacht, dass ich deswegen Kunden verlieren könnte», sagt Caviezel. Zu Unrecht. Viele Babyfotografen hören nach kurzer Zeit wieder auf. «Sie denken, dass es ja einfach sein muss, Babys zu fotografieren. Jedoch braucht es viel Geduld, Erfahrung und Zeit. Ein Baby kann sich nicht wie Erwachsene auf ein Shooting einstellen oder auf Knopfdruck lachen.» Die Arbeit sei Gefühlssache und man arbeite sehr intuitiv. Genau das mache ihren Beruf so einzigartig. Am Shooting sagt sie immer wieder mit einem Strahlen im Gesicht: «Ich habe einfach den schönsten Job auf der Welt.»

veröffentlicht: 9. September 2020 08:55
aktualisiert: 9. September 2020 13:33
Quelle: FM1Today

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