Gericht spricht Beil-Angreifer (18) frei

20.12.2018, 21:06 Uhr
· Online seit 20.12.2018, 17:15 Uhr
Der Beil-Angreifer von Flums (18) wurde freigesprochen. Das Jugendgericht hält ihn für schuldunfähig – der Lehrling aus Lettland soll in einer geschlossenen Einrichtung therapiert werden.
Laurien Gschwend
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Der Lette, der im Oktober 2017 sieben Personen in Flums mit einem Beil angriff und teilweise schwer verletzte, stand am Mittwoch in Mels vor Jugendgericht (FM1Today berichtete). Nun ist das Urteil da: Der Angreifer ist laut den Richtern nicht schuldfähig. Deshalb ist er freigesprochen worden, der 18-Jährige soll aber in einer geschlossenen Einrichtung bleiben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Schizophrenie diagnostiziert

Mit dem Urteil folgte das Gericht mehrheitlich der Verteidigung: Während des Prozesses hatte diese die Schuldunfähigkeit ihres Mandanten geltend gemacht. Das psychiatrische Gutachten habe eine Schizophrenie diagnostiziert. Der junge Mann sei zum Tatzeitpunkt «urteils-, einsichts- und steuerungsunfähig» gewesen.

«Hartes Schicksal»

Das Gericht geht davon aus, dass der Verurteilte «die nächsten Jahre» in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung verbringen wird. Er sei zum Tatzeitpunkt wegen seiner schweren psychischen Krankheit nicht in der Lage gewesen, «vernunftgemäss zu handeln». Weil er nicht urteilsfähig war, könne er nicht zu Schadenersatz und Genugtuung verpflichtet werden. Ob dies ausnahmsweise «aus Billigkeit» getan werden könne, muss nun ein Zivilgericht klären, schreibt das Jugendgericht.

Der junge Mann war im Alter von 13 Jahren aus Lettland zu Mutter und Stiefvater in die Schweiz gezogen. Einen Landesverweis sehe das Jugendstrafrecht nicht vor, schreibt das Gericht.  Der Staat trägt die Kosten für das Verfahren und den Verteidiger. Der Flumser Fall zeige auf, dass das Schicksal «sehr hart» sein könne, hält das Jugendgericht fest.

Im Affekt gehandelt

«Ich kann mich an vieles gar nicht mehr erinnern», betonte der Lette am Mittwoch mehrmals vor Gericht. Ohne Emotionen erläuterte er, dass alles im Affekt passiert sei und er seine Opfer zufällig ausgesucht habe. «Ich konnte meine Gedanken nicht mehr steuern.»

Dagegen, dass er sich an nichts mehr erinnern möge, sprach laut der Jugendanwaltschaft, dass der Lette am Tatabend eine Schere dabei hatte – dies laut der ersten Befragung, um seinen Opfern in die Augen zu stechen, direkt in die schwächste Stelle ihres Körpers.

«Wie ein Stück Scheisse gefühlt»

Schon sein ganzes Leben habe er Minderwertigkeitskomplexe verspürt und sich «wie ein Stück Scheisse gefühlt», sagte der Angreifer, der in der Vergangenheit schon wegen Gewaltfantasien aufgefallen war. Als sein Suizidversuch am Abend des 22. Oktobers missglückte, sei ihm alles zu viel geworden. Vor seinem Beil-Amoklauf habe er sein Elternhaus und seine Mutter verbrennen wollen, weil sie ihn zur Welt brachte. Als er gefasst wurde, habe er die Polizisten angefleht, ihn zu erschiessen.

Bei der Verhandlung waren nur zwei der Opfer anwesend, der Rest war laut den Verteidigern nicht psychisch nicht in der Lage, in den Gerichtssaal zu kommen. Die Öffentlichkeit war vom Prozess ausgeschlossen, akkreditierte Medien durften wegen des grossen öffentlichen Interesses Teile des Prozesses mitverfolgen.

Drei Jahre Gefängnis gefordert

Die Jugendanwaltschaft hatte den jungen Mann, der zum Tatzeitpunkt noch 17-jährig war, unter anderem wegen mehrfachen versuchten Mordes, versuchter Brandstiftung, mehrfacher einfacher Körperverletzung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz angeklagt. Sie hatte einen Freiheitsentzug von drei Jahren sowie eine Busse von 500 Franken beantragt.

veröffentlicht: 20. Dezember 2018 17:15
aktualisiert: 20. Dezember 2018 21:06
Quelle: lag

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