Gratis-Kastration soll «Tierelend» stoppen

28.03.2019, 10:29 Uhr
· Online seit 28.03.2019, 05:42 Uhr
Herrenlose Katzen und Hunde streunen laut Tierschützern zu Tausenden durch die Schweiz. Ab April soll deren unkontrollierte Vermehrung im Rheintal gezielt gestoppt werden. Dann startet das Programm der Stiftung «Zellweger Animal Foundation», das die Finanzierung der Kastration und Sterilisation von Vierbeinern unterstützt. Die Rheintaler Gemeinden steuern ebenfalls einen Batzen Geld bei.
Praktikant FM1Today
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Die Tierschützer sprechen von bis zu 300'000 herrenlosen Katzen und Hunden in der Schweiz, die öffentlichen Stellen relativieren, gesicherte Zahlen gibt es keine. Auch das kantonale Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen von St.Gallen ist vorsichtig. «In gewissen Gebieten leben verwilderte Katzen, doch herrenlose Hunde gibt es bei uns eigentlich nicht», sagt Kantonstierarzt Albert Fritsche. «Es ist eher eine Frage der Befindlichkeit, ob die Tiere auffallen oder nicht.»

«Vermehren sich zu Millionen»

Edith Zellweger, Tierschützerin und Gründerin der gemeinnützigen Stiftung«Zellweger Animal Foundation ZAF», sieht das Problem in der Schweiz drastischer, vor allem bei herrenlosen Katzen. «Wir haben ein riesiges Katzenelend.» In 35 Jahren als Tierrechtsaktivistin habe sie schon viele schlimme Fälle miterlebt. «Beim Umzug lassen Besitzer häufig ihre mehrheitlich nicht kastrierte Katze zurück und setzen sie im Wald aus», sagt Zellweger. Kürzlich habe sie acht junge Welpen in einem Plastiksack aufgefunden und bei sich aufgenommen. Damit es nicht noch mehr herrenlose Tiere gibt, hat sie ein Kastrations- und Sterilisationsprogramm im Rheintal ins Leben gerufen. «Wenn wir die Tiere nicht kastrieren, vermehren sie sich zu Millionen», sorgt sich Zellweger. «Und dann werden sie krank und verhungern elendiglich.»

Das Programm trägt bereits erste Früchte. In den letzten vier Monaten haben Tierliebhaber im Gebiet von Sennwald bis Sevelen rund 50 Vierbeiner zu Tierärzten gebracht und von der kostenlosen Kastration oder Sterilisierung Gebrauch gemacht. Ab April ermöglicht die Stiftung auch kostenlose Eingriffe in über zehn Rheintaler Gemeinden. Das Angebot sei vor allem für Leute gedacht, die sich um herrenlose Tiere kümmern, aus Kostengründen aber vor einem solchen Eingriff zurückschrecken. Die Sterilisation einer Katze kostet über 100 Franken, ein Eingriff bei Hunden bis zu 900 Franken. Zwei Tierarztpraxen in Gams und in Au führen die Operationen während einem Jahr durch. Die Gemeinden unterstützen das Projekt mit bis zu 14'000 Franken. Das freut Zellweger, die noch nicht abschätzen kann, wie hoch die Gesamtkosten sein werden. Auch, ob es nach zwölf Monaten und in anderen Gebieten weitergeht, ist noch offen.

«Noch keiner verwahrlosten Katze begegnet»

Weit gelassener, aber dennoch die Sache unterstützend, zeigt sich Bruno Seelos, Präsident der Rheintaler Gemeindepräsidenten. «Wir kennen das Problem von wildlebenden und verwahrlosten Katzen in der Region.» Er ergänzt aber auch: «Ich bin noch keiner begegnet.» Dennoch begrüssen die Gemeinden das Sterilisationsprogramm, «um die Weitervermehrung der herrenlosen Katzen einzuschränken und die Natur in eine Balance zu bringen». Auch hat eine Stellungnahme des kantonalen Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen den Entscheid massgeblich beeinflusst.

Für alle Interessenten hat die Stiftung eine eigene Website eingerichtet.

Aktuell sind verwilderte und nicht kastrierte Katzen auch in der Politik ein Thema. Doris Fiala, FDP-Nationalrätin, hat Ende 2018 eine Motion eingereicht, um eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen im Gesetz zu verankern. Unter Freigängerkatzen werden Hauskatzen verstanden, die sich auch im Freien bewegen und daher Sozial- und Sexualkontakt mit anderen Katzen haben. Der Bundesrat ist gegen die Kastrationspflicht und hat die Motion diesen Februar abgelehnt. In seiner Stellungnahme schreibt er, dass die grosse Mehrheit der Katzen bereits sterilisiert oder kastriert werden. Zudem seien Tierhalter schon heute verpflichtet, alle zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um eine übermässige Vermehrung ihrer Tiere zu verhindern. Kantonsarzt Fritsche teilt die Meinung des Bundesrats: «Es wäre unmöglich, die Kastrationspflicht bei allen Freigängerkatzen durchzusetzen.» Demnächst wird die Motion in den Räten diskutiert.

(lou)

 

veröffentlicht: 28. März 2019 05:42
aktualisiert: 28. März 2019 10:29

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