Grosse Aggressivität gegenüber St.Galler Polizisten

07.04.2017, 12:53 Uhr
· Online seit 07.04.2017, 12:10 Uhr
St.Galler Polizisten werden immer häufiger Opfer von Beschimpfungen oder Angriffen. Nur bleiben die meisten Übergriffe ohne Folgen. Die Polizei möchte nun härter durchgreifen.
Laurien Gschwend
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Die St.Galler Regierung hat auf einen Vorstoss der FDP zum Thema Gewalt gegen Polizisten geantwortet. Im Vorstoss kritisiert die Partei, dass die Agressivität gegenüber Polizistinnen und Polizisten «stark und in einem nicht tolerablen Ausmass» zugenommen habe. Über 80 Prozent der befragten Polizisten wurden schon beschimpft oder angegriffen. Nur bei jedem Fünften dieser Fälle kam es zu einer Anzeige.

Die Regierung kann dies weder bestätigen noch dementieren: Es gebe keine Statistiken, die Angriffe und Beschimpfungen gegen Polizisten erfassen. Einzig seien Zahlen vorhanden, welche Verfahren wegen Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte zeigen. Die Fälle von Gewalt und Drohungen hätten aber in diesen Fällen entgegen der Behauptungen im Vorstoss nicht zugenommen. Es gebe auch Jahre, in denen die Verfahrenszahlen zurück gegangen seien.

Jeder Fünfte mit Leben bedroht

Ganz anders beurteilt die Uni St.Gallen die ganze Thematik. Im Zusammenhang mit dem FDP-Vorstoss wurde eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Daran nahmen mehr als die Hälfte der St.Galler Kantonspolizistinnen und -polizisten teil (365 von 673). Das Ergebnis ist überraschend.

Rund 83 Prozent der befragten Polizisten wurden in den letzten drei Jahren Opfer einer Beschimpfung, 55 Prozent einer Tätlichkeit, rund 46 Prozent einer Drohung und rund 19 Prozent einer Körperverletzung. Jeder fünfte Befragte erlebte in diesem Zusammenhang eine lebensbedrohliche Situation.

Häufig passierten die Vorfälle im Zusammenhang mit Alkohol. Dann beispielsweise, wenn die Polizei den Transport in eine Klinik oder eine Ausnüchterungszelle übernehmen musste. Aber auch bei Interventionen im öffentlichen oder privaten Raum oder während einer Personenkontrolle. Mit dem Leben bedroht wurden die Beamten am häufigsten im privaten Rahmen.

«Die Polizisten schlucken das»

Die meisten dieser Vorfälle wurden unter den Teppich gekehrt. «Die Polizisten schlucken das», erklärt der St.Galler Polizeikommandant Bruno Zanga gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Ihn selbst überrascht die hohe Dunkelziffer. Wie die Uni-Studie zeigt, werden rund 57 Prozent der lebensbedrohlichen Situationen gemeldet, bei Beschimpfungen sind es nur noch rund 21 Prozent.

«Opfererfahrungen im Dienst gehören für Polizistinnen und Polizisten schon fast zum Alltag», kommentiert die St.Galler Regierung das Ergebnis der Untersuchung. So hätten es die Polizisten häufig mit Randständigen oder stark alkoholisierten Personen zu tun. Diese Leute haben sich in diesem Moment nicht mehr im Griff, weiss Bruno Zanga.

Untersuchung hat Konsequenzen

Deshalb werde vermutlich häufig auf eine Anzeige verzichtet. Ausserdem würden Polizisten von direkten Vorgesetzten häufig nicht gerade dazu ermutigt, unbedingt eine Anzeige zu machen. Dies sei aufwändig und löse für den Betroffenen zusätzliche Arbeiten aus, erklärt Bruno Zanga. Ausserdem gebe es Polizisten, die denken, dass Anzeigen nichts bringen, da die Bestrafung so oder so zu gering sei.

Die Uni-Studie soll aber nicht ohne Folgen bleiben. Wie Bruno Zanga sagt, soll es dank der Studie vermehrt zu Verfahren kommen. Dies könne aber nicht von heute auf morgen passieren. Dennoch gibt es bereits heute verschiedene unterstützende Angebote, wie beispielsweise bezahlte Anwälte oder Juristen.

Die Attacken und Beschimpfungen gegen Polizisten müssen ernst genommen werden, schreibt die Regierung. Dafür nötig sei jedoch, dass die Übergriffe auch gemeldet und angezeigt werden.

veröffentlicht: 7. April 2017 12:10
aktualisiert: 7. April 2017 12:53
Quelle: sda/abl

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