Hitler und Shaqiri sind nur zwei davon

05.09.2018, 08:20 Uhr
· Online seit 05.09.2018, 05:59 Uhr
Der Waldkircher Vinzenz Brändle besitzt eine der grössten Autogrammsammlungen der Schweiz und eine der exklusivsten der Welt. 250'000 Unterschriften lagern in seiner Wohnung. Ein Besuch in seinem Zuhause im Kanton Zug.
Sandro Zulian
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Im zugerischen Rotkreuz steht ein unscheinbares Backsteinhaus. Darin lebt ein unscheinbarer Postbeamte. Doch in der Vier-Zimmer-Wohnung des Waldkircher Vinzenz Brändle steht ein wertvoller Schatz. In seinem Büro lagern eine Viertelmillion Autogramme - von Politikern, Schauspielern, Sängern. Aber auch von Medizinern, Astronauten, Athleten und Fussballern. Sogar Diktatoren gehören zu seiner umfangreichen Sammlung. Bis zu vier Briefe schreibt er täglich, um an neue Unterschriften zu kommen. Seine Portokosten belaufen sich auf 60 Franken pro Woche.

Vinzenz Brändle zeigt seine Sammlung:

Strafporto für Bernhard Russis Unterschrift

Brändles Begrüssung ist unwirsch: «Ich bin übrigens der Vinzenz, gell», sagt er mit Ostschweizer Dialekt. Der 51-Jährige wohnt seit 30 Jahren in Rotkreuz. Ursprünglich stammt er aus Waldkirch im Kanton St.Gallen. Seit er denken kann, ist er leidenschaftlicher Sammler: «Angefangen hat es mit Kaffeerahmdeckeli oder Zigarrenbändern. Meine Eltern hatten sehr früh einen Fernseher, darum bin ich schnell auf den Skifahrer Bernhard Russi aufmerksam geworden.» Mit einem Lachen erzählt der schüchterne Exil-St.Galler davon, wie er Strafporto für Russis Autogramm bezahlen musste, weil ihm damals nicht klar war, dass er Geld oder ein frankiertes Couvert für eine Antwort beilegen musste.

Pierre Brice war die Initialzündung

Bald kam der Winnetou-Darsteller Pierre Brice in Brändles Leben. «Ich war sofort Feuer und Flamme für die Westernfilme.» Mit dem Autogramm des französischen Schauspielers begann seine Sammelwut für alle möglichen Autogramme aus aller Welt. Brändle redet schnell, teils ohne Punkt und Komma, zieht scheinbar wahllos Autogramm-Collagen aus einem für einen Laien unübersichtlichen Haufen. Sie stecken in Ordnern, sind in Registern eingeordnet oder warten in Schachteln darauf, betrachtet zu werden. Das ganze habe System. «Ich weiss ziemlich genau, wo alles ist», versichert Brändle.

Hitler neben Shaqiri

Ob man mit Autogrammen nun etwas anfangen kann oder nicht: Brändles Sammlung ist beeindruckend. Die wichtigen Unterschriften hat er hinter Glas eingerahmt und zeigt sie, eine nach der anderen. «Die nenne ich die ‹Bösewichte›. Hier haben wir Hitler, das ist Pinochet, Franco, Göhring, Goebbels und so weiter.» Gleich im Anschluss zieht Brändle eine andere Collage aus den Unmengen seiner Sammlung: Cristiano Ronaldo, Shaqiri, Pelé, Maradona und viele weitere Fussballstars.

Bieber neben Napoleon

Auch Sängerinnen und Sänger sind zahlreich vertreten in Brändles Wohnung. Neben AC/DC finden sich Unterschriften von Michael Jackson, Tupac, den Beatles, Lady Gaga oder Justin Bieber. Zu den Schauspieler gesellen sich Pierre Brice, Johnny Depp und die gesamte Star-Parade der James-Bond-Franchise. Auch richtig alte Unterschriften sind in Brändles Besitz. So zeigt er voller Stolz eine Unterschrift von Napoleon Bonaparte, vom Vater des Eiffelturms Gustav Eiffel oder sogar vom Geistlichen Balthasar Lydius, der vor knapp 400 Jahren im niederländischen Dordrecht das Zeitliche segnete.

Die erste Marathonläuferin

Doch nicht nur Berühmtheiten im klassischen Sinne findet man bei Brändle zuhause. Er besitzt Autogramme von Wissenschaftlern, Forschern und Menschen, die viel erreicht, aber im Vergleich zu «Stars» eher unbekannt blieben. Hierzu gehört beispielsweise Katherine Switzer. Sie startete 1967 als erste Frau unerlaubterweise offiziell am Boston-Marathon. Dabei versuchte der OK-Chef des Marathons, ihr die Startnummer während des Rennens zu entreissen. Das Bild ging um die Welt, Brändle holte sich ein Autogramm.

Zeit, sich jedes einzelne Autogramm anzusehen, jeder Geschichte Brändles zu lauschen, bleibt nicht. Sein Sammelsurium ist immens (in der Galerie findest du mehr Autogramme). Bis dato verzeichnet er, nach seiner eigenen Aussage, 250'000 bestätigte Unterschriften von Menschen der Zeitgeschichte. Den Wert kann er nicht abschätzen, aber: «Das gäbe bestimmt zwei, drei teure Autos.»

Die wenigsten der Unterschriften hat Vinzenz Brändle persönlich geholt. Die meisten Unterschriften bekam er zugeschickt. Ans Aufhören denkt er nicht. Er versucht momentan, einen geeigneten Ort für eine Ausstellung zu finden. «Das wäre mein Traum - ein eigenes Museum», sagt er hoffnungsvoll. Seine Augen leuchten.

Vielleicht bekommt der Ostschweizer Pöstler in Rotkreuz so bald selber Fanpost - er wird sie beantworten, bestimmt.

veröffentlicht: 5. September 2018 05:59
aktualisiert: 5. September 2018 08:20
Quelle: saz

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