Kreisgericht St.Gallen

«Ist es okay, wenn ich mich ausziehe?» – Blüttler-Anwalt vor Gericht

· Online seit 20.03.2023, 05:33 Uhr
Ein Anwalt steht vor dem St.Galler Kreisgericht, weil er sich regelmässig vor einer Angestellten auszog. Er muss sich wegen mehrfacher Ausnützung einer Notlage verantworten.
Anzeige

Triggerwarnung: In diesem Text wird sexuelle Belästigung thematisiert.

Als sehr sympathischen und «etwas kauzigen Nachbarn» wird der Beschuldigte vom Opfer in der Anklageschrift beschrieben. Regelmässig kam man bei Spaziergängen ins Gespräch.

Da das Opfer auf Arbeitssuche war, bot der Beschuldigte ihr an, eine Stelle in seiner Kanzlei anzutreten. Sie könne sich dort zur Sekretariatsassistentin ausbilden lassen. Die Stelle konnte sie im Sommer 2020 antreten und übernahm diverse Aufgaben wie den Telefondienst und den Empfang von Klientinnen und Klienten.

Cholerische Ausbrüche des Chefs

Schnell wurde dem Opfer klar, dass das Arbeitsklima sehr auf der Laune des Beschuldigten beruhte. Bei schlechter Laune konnte der Beschuldigte «cholerische Ausbrüche» haben und in einen Wutausbruch verfallen, wenn das Opfer einen Fehler machte.

Für das Opfer war es schliesslich nicht möglich, dem Beschuldigten Fragen zur Arbeit zu stellen, falls dieser schlechte Laune hatte – deswegen konnte die Frau ihre Arbeit nicht erfüllen. Wenn der Beschuldigte hingegen «keine Kleider trug, war er jeweils besser gelaunt», heisst es in der Anklageschrift.

Als sich der Beschuldigte zum ersten Mal entblösste, teilte er (noch bekleidet) dem Opfer mit, dass er im Stress sei und ob es für sie in Ordnung wäre, wenn er seine Kleidung ausziehe. Das Opfer reagierte nicht und der Beschuldigte lief kurze Zeit später nackt und nur in Socken bekleidet am Sekretariat vorbei.

Am Geschlechtsteil herumgespielt

Kurze Zeit später trafen sich das Opfer und der Beschuldigte zu einer Besprechung in seinem Büro. Noch als das Opfer sich vorbereitete, fragte der Beschuldigte: «Ist es okay, wenn ich mich ausziehe?»

In der Folge zog sich der Anwalt laut Anklageschrift bis auf die Socken aus und führte, «nun besser gelaunt», so die Sitzung. Währenddessen habe er mehrere Minuten lang an seinem Geschlechtsteil herumgespielt.

Zu solchen Sitzungen kam es während des Anstellungsverhältnisses immer wieder. In einem Fall habe der Hund des Beschuldigten an seinem Geschlechtsteil geschleckt, was ihm aber peinlich gewesen sei.

Geld- und Haftstrafe gefordert

Wenn er nackt ist, fühlt er sich freier. So begründete ein Anwalt seiner 20 Jahre jüngeren Angestellten das Bedürfnis, an den Sitzungen seine Kleidung auszuziehen. Immer wieder musste die Frau den Anblick seines Geschlechtsteils erdulden, da sie auf ihre Stelle als Hilfsassistentin angewiesen war.

Aus diesem Grund fordert die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch wegen mehrfacher Ausnützung der Notlage. Als Strafmass wird eine bedingte 14-monatige Haftstrafe sowie eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 420 Franken verlangt.

Das Opfer sei in einer «Zwangslage» gewesen und habe sich nicht getraut, zu widersprechen. Der Beschuldigte habe im Wissen um seine Autorität gehandelt und die Situation ausgenutzt.

Der Verhandlungstermin ist noch ausstehend. Es gilt die Unschuldsvermutung.

veröffentlicht: 20. März 2023 05:33
aktualisiert: 20. März 2023 05:33
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige