Der Beschuldigte lässt sich schwer auf seinen Stuhl inmitten des Stadthofsaals Rorschach fallen. Er ist massig, übergewichtig. Der Riemen seiner dicken, ledernen Maske spannt über seinen weissen Haaren, die er im Nacken zusammengebunden hat.
Mit erstaunlich hoher Stimme nimmt er Stellung zu den Anklagepunkten, mit denen ihn der Vorsitzende des Kreisgerichts Rorschach konfrontiert.
Mehrfache Schändung, sexuelle Handlungen mit Kindern, Pornos
Der geschilderte Sachverhalt ist erschütternd. Der Beschuldigte verbrachte von Anfang an viel Zeit mit seinem Patenkind, der Tochter eines Kollegen. Er ging mit ihr in den Zoo, zum Rodeln, in den Park, baute mit ihr ein Vertrauensverhältnis auf.
Später soll er mit dem kleinen Mädchen, damals laut Anklage zwischen sieben und acht Jahren alt, sexuelle Handlungen vorgenommen haben und fertigte davon über 250 Aufnahmen an.
Diese zeigen die beiden nackt und in eindeutig sexuellen Stellungen. «Das können sie nicht leugnen», sagt der Gerichtsvorsitzende, was der Angeklagte bejaht. Er bestätigt viele Ausführungen, jedoch nicht alle. So soll es nur einmal zu sexuellen Handlungen gekommen sein und nicht wie behauptet praktisch jedes zweites Wochenende.
An die sexuellen Handlungen im Detail will sich der Angeklagte nicht mehr genau erinnern können. Er scheine nur genau zu wissen, was nicht passiert sei, merkt der vorsitzende Richter spitz an.
Denn eine Penetration soll zu keinem Zeitpunkt stattgefunden haben, behauptet der Beschuldigte. Diesem Punkt wird sowohl vom Gericht, vom Staatsanwalt, von der Privatklägerschaft und auch der Verteidigung sehr viel Zeit gewidmet.
Zeitraum ist unklar
Wann die Übergriffe genau stattgefunden haben sollen, ist unklar. Die Anklage geht von Ende 2010 oder 2011 aus, als die Patentochter ungefähr sieben oder acht Jahre alt war. Diese war laut Ausführungen der Staatsanwaltschaft zum Tatzeitpunkt geistig unterentwickelt und kann sich heute nur schlecht daran erinnern.
Die Verdrängung sei ein Schutzmechanismus und es bestehe die Möglichkeit, dass das Opfer lebenslang auf therapeutische Massnahmen angewiesen sein wird.
«Es steht ausser Frage, dass ich ins Gefängnis muss», sagt der Anklagte, er scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben.
Weitere Übergriffe folgten
Es sollten nicht die letzten pädophilen Taten des 65-Jährigen gewesen sein. Verteilt über mehrere Jahre kam es zu Vorfällen mit den Enkelkindern seiner Lebenspartnerin. So soll er etwa einer damals fünfjährigen Enkeltochter einen kinderpornografischen Film gezeigt haben.
«Als Vorbereitung auf spätere tatsächliche Handlungen», sagte der Staatsanwalt. Nach Darstellung des Beschuldigten wurde er von der Enkeltochter seiner Partnerin jedoch beim Schauen eines «normalen» Pornos überrascht.
Die Handlungen mit zwei ihrer Schwestern streitet er nicht ab. Er gibt zu, sich an beiden Vergangen zu haben. Die Namen der Mädchen kann er nicht mehr zuordnen, einmal spricht er vom «dritten Kind».
«Leider sind Zeitreisen nicht möglich»
Am Ende der Verhandlung nutzt der Beschuldigte noch einmal die Möglichkeit, sich zu äussern. Er möchte sich bei den beiden betroffenen Familien entschuldigen. Die Mädchen erwähnt er nicht.
Er würde gerne die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen. «Leider sind Zeitreisen nicht möglich», sagt er. Er wünscht sich, seine therapeutische Behandlung fortsetzen zu können, diese habe ihm bereits viel gebracht. Erst damit lerne er zu begreifen, was er da gemacht habe.
Die Fortsetzung der Behandlung sei auch haftbegleitend möglich, sagt der Gerichtsvorsitzende. Die Staatsanwaltschaft fordert unter anderem eine Gefängnisstrafe von acht Jahren. Die Verteidigung fordert einen Aufschub zu Gunsten einer ambulanten Behandlung.
Die Urteilsverkündigung erfolgt schriftlich gegen Ende nächster Woche.