4,5 Jahre Haft

Pädophiler Kita-Betreuer: «Am liebsten würde ich alles ungeschehen machen»

22.01.2020, 09:42 Uhr
· Online seit 21.01.2020, 11:52 Uhr
Ein 34-jähriger Mann hat unter anderem in einer St.Galler Kinderkrippe mehrere Buben sexuell missbraucht. Am Dienstag wurde er am Kreisgericht St.Gallen zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe und einem lebenslangen Tätigkeitsverbot verurteilt.
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«Ich habe kaum geschlafen», sagt der Beschuldigte vor Gericht. Der 34-Jährige trägt einen Pferdeschwanz, einen unauffälligen blauen Pulli und Jeans. Er ist sichtlich nervös: «Der heutige Prozess belastet mich. Ich bin aber nicht das Opfer in diesem Fall.»

«Wollte Anerkennung in Pädophilen-Szene»

Bei den Opfern handelt es sich um mehrere Buben, die in Kinderkrippen – so etwa im Osten der Stadt St.Gallen – unter der Obhut des früheren Betreuers waren. Einen erst 16 Monate alten Bub schändete der Beschuldigte, während dieser auf dem Wickeltisch lag, einen 21 Monate alten Bub an dessen Wohnort. Zudem, so heisst es in der Anklageschrift, fotografierte der Ostschweizer mehrere Buben beim Urinieren. Die Aufnahmen stellte er jeweils in ein Pädophilen-Forum im Darknet, «um Anerkennung in dieser Szene zu erreichen».

Milderes Urteil

Am Dienstag wurde der 34-Jährige am Kreisgericht St.Gallen wegen mehrfacher Schändung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher Pornografie verurteilt. Er wird mit einer viereinhalbjährigen Gefängnisstrafe, aufgeschoben durch eine stationäre Massnahme, sowie einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 50 Franken, einer Busse von 600 Franken und einem lebenslänglichen Berufsverbot bestraft. Die Zivilkläger erhalten eine Genugtuung. 

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von fünf Jahren und acht Monaten gefordert. Die Verteidigung verlangte eine Strafmilderung um mindestens neun Monate.

Staatsanwaltschaft ist «grundsätzlich zufrieden»

«Wir sind grundsätzlich zufrieden mit dem Urteil», sagt Beatrice Giger, Mediensprecherin der St.Galler Staatsanwaltschaft, nach der Verhandlung. Vor allem die angeordnete stationäre Massnahme und das Tätigkeitsverbot seien wichtig in Hinblick auf die Zukunft des Verurteilten. 

Die Staatsanwaltschaft werde nun das schriftliche Urteil abwarten und prüfen, so Giger weiter. «Wir können zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beantworten, ob wir das Urteil anfechten.»

Quelle: TVO

«Wir spielten Räuber und Poli»

Der St.Galler gestand beim Prozess weitgehend. In einem Fall – er fotografierte ein an ihn gefesseltes Kind – sei es aber nur um «Räuber und Poli» ohne sexuelle Motivation gegangen, so der gelernte Kaufmann und Kinderbetreuer. Vor über fünf Jahren hatte er sich in einem Fernsehbeitrag für Männer in Betreuungsberufen stark gemacht. «Ich wollte damit meine Kollegen schützen.» Es sei ein Fehler gewesen, trotz seiner pädophilen Neigungen im Beruf zu bleiben. «Ich dachte, es sei nur eine Phase.»

Suizidgedanken nach Trennung

In Therapiestunden versuche er zurzeit, die Beweggründe für seine Taten zu ergründen. «Ich muss Verantwortung übernehmen, um Besserung zu erreichen», sagt der 34-Jährige mit gesenktem Haupt. «Was ich getan habe, tut mir mehr leid, als ich ausdrücken kann. Am liebsten würde ich alles ungeschehen machen.»

Er sei früher gemobbt worden, habe nach einer Trennung täglich Suizidgedanken gehabt und einen Messie-Haushalt geführt, beantwortet er Fragen des Richters zu seiner Vergangenheit. Sein inzwischen verstorbener Adoptivvater habe ihn regelmässig geschlagen. «In der Punkszene habe ich mich geborgen gefühlt. Hier konnte ich selbstbestimmt sein, ohne dass mir mein Vater auf die ‹Schnorre› haute.»

Mit Raffinesse gehandelt

Noch heute würden sich besorgte Eltern melden, sagt die Staatsanwältin. «Sie befürchten, dass sich Bilder ihrer Kinder im Darknet befinden könnten.» Der Täter habe mit Raffinesse gehandelt – und sich Opfer ausgesucht, die sich nicht mitteilen konnten. Gemäss psychiatrischem Gutachten bestehe ein hohes Rückfallrisiko.

Der Verteidiger sagt wie sein Mandant selbst, dass dieser hinsichtlich der meisten Taten vollumfänglich geständig sei. «Er bereut seine Taten. Das sind keine leeren Worte.»

Zehntausende Bilder beschlagnahmt 

Auf den Datenträgern des St.Gallers fanden die Ermittler rund 61'700 Bilder und 4600 Videos, vorwiegend von Sex mit Kleinkindern, einzelne von Gewalt oder Tieren. Am 4. Juli 2018 wurde der ehemalige Kinderbetreuer festgenommen, inzwischen sitzt er im vorzeitigen Vollzug. In der Massnahmenanstalt wird er als vorbildlicher Insasse beschrieben.

Die damalige Arbeitgeberin des 34-Jährigen in St.Gallen hatte ihren Mitarbeiter nach seiner Festnahme sofort entlassen. Die Leitung teilte mit, sie sei «zutiefst erschüttert und bestürzt», und bat den betroffenen Familien ihre Unterstützung bei der Verarbeitung an.

«Das Vertrauen ist für den Rest des Lebens verloren», sagt die Mutter eines der Opfer. Sie erhält eine Genugtuung von 2000 Franken. «Das Geschehene lässt sich jedoch gar nicht beziffern.» 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

veröffentlicht: 21. Januar 2020 11:52
aktualisiert: 22. Januar 2020 09:42
Quelle: FM1Today

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