Wasserqualität

Rätsel um Temperatur und Partikel: Was ist nur los im Walensee?

· Online seit 18.11.2020, 06:49 Uhr
Keine Alge: Im Walensee hat sich eine unbekannte Substanz ausgebreitet, beim Kanton St.Gallen laufen diesbezüglich Abklärungen. Auch die Temperaturmessungen dieses Jahres geben Rätsel auf.
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«Heute hatte ich Glück – 40 Kilo Felchen», berichtet Hanspeter Gubser, Berufsfischer aus Walenstadt. Damit ist der 17. November allerdings eine Ausnahme im ertragsarmen Jahr 2020. Seit längerem landen kaum Fische in den Netzen des letzten Berufsfischers auf dem Walensee. Bis jetzt fehlen ihm in diesem Jahr ganze zwei Tonnen – auch weil eine unbekannte Substanz Gubsers Netze verklebt.

Noch vor wenigen Monaten war FM1Today mit Hanspeter Gubser auf dem See. Der Ertrag: ein wunderschöner Sonnenaufgang und vier Fische. Damals vermutete man noch, eine Alge sei für das Verkleben der Netze verantwortlich (siehe Video). Dies kann nun aber ausgeschlossen werden.

Quelle: FM1Today

Rätselhafte Substanz, Herkunft unbekannt

Der Kanton St.Gallen ist im Fall Walensee seit längerem aktiv und kann erste Resultate vorweisen. «Die Substanz im Walensee ist weder eine Alge, noch ist sie tierischen Ursprungs», sagt Vera Leib, Abteilungsleiterin Gewässerqualität beim Amt für Wasser und Energie des Kantons St.Gallen.

Derzeit laufen weitere Abklärungen mit der Eawag (Wasserforschungsinstitut der ETH) im Auftrag des Kantons. Es soll ergründet werden, um welche Substanz es sich handelt – und woher sie kommt.

Die möglichen Einflüsse rund um den Walensee sind zahlreich. Mehrere Flüsse münden in den See, es gibt Wasserkraftwerke und auch Baustellen, beispielsweise die Tunnelbohrung am Kerenzerberg in Weesen. Vermutungen anstellen will Vera Leib jedoch nicht: «Wir klären jetzt sachlich ab, woher diese Partikel stammen.»

Auch Auffälligkeiten bei einer Messung der Wassertemperatur möchte sie nicht gewichten. Anfangs Oktober wurden bei einer Messung ungewöhnliche Temperaturen festgestellt – bis zu einer Tiefe von 40 Metern ist der See linear kälter geworden, bevor die Temperatur wieder leicht anstieg. Laut Leib war die Messung jedoch nicht standardisiert und die gemessenen Werte nicht verlässlich.

Viel zu warm

Für diese Messungen zuständig ist die Wasserversorgung Zürich. Und die Auswertungen dieses Jahres zeichnen durchaus ein ungewöhnliches Bild. Im Vergleich mit den Mittelwerten der Jahre 2010 bis 2019 war der gesamte Walensee im Februar zu warm.

Im Mai gab es Abweichungen in der Tiefe von 70 bis 144 Metern, im August war es zwischen 19 und 30 Metern wärmer als im Durchschnitt und im November zwischen 60 und 144 Metern. Die Temperaturabweichungen sind mit bis zu 1,6 Grad teilweise erheblich.

Aber: Für eine verlässliche Beurteilung der Situation im Walensee sind bei weitem nicht genügend Daten vorhanden. Im Walensee wird seit 2001 nur noch vier, nicht mehr zwölf mal pro Jahr gemessen – Im Februar, Mai, August und November. Geschuldet ist dies den Sparprogrammen der Kantone St.Gallen und Glarus.

So können zwar langfristige Entwicklungen erfasst werden, um kurzfristigere Entwicklungen zu bewerten, ist die Datenlage jedoch zu dünn. Bei den einzelnen Messtagen könnte es sich auch um Ausreisser handeln.

Fischer kann nur hoffen

Trotzdem hat Hanspeter «Frosch» Gubser den Eindruck, dass mit dem Walensee etwas nicht stimmt. Denn seine Netze sind nicht nur verklebt, sondern bewegen sich über Nacht auch kaum. Die Ausbeute blieb auch aus diesem Grund über das ganze Jahr mickrig. Laut Leserreportern gilt das auch für die Sportfischer am Walensee.

Ob ein Zusammenhang besteht, kann mit der heutigen Datenlage nicht geprüft werden. «Dass im Walensee etwas vor sich geht, kann man aber auch nicht ausschliessen», sagt Oliver Köster, Abteilungsleiter Biologie bei der Wasserversorgung Zürich.

Fischer Hanspeter Gubser kann nur hoffen, dass sich die Lage im kommenden Jahr stabilisiert. Und herausgefunden werden kann, ob nun die möglichen Temperaturauffälligkeiten der Grund für die leeren Netze sind oder die mysteriöse Substanz. Oder beides.

veröffentlicht: 18. November 2020 06:49
aktualisiert: 18. November 2020 06:49
Quelle: FM1Today

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