Rätsel um Wiler Denkmal gelöst

· Online seit 13.11.2018, 19:52 Uhr
Vor dem Stadtsaal in Wil steht ein Denkmal. In der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Wil wenn...» fragen sich die User nun, wofür das Denkmal steht. Wir haben beim Stadtarchivar Werner Warth von der Wiler Stadtverwaltung nachgefragt.
Nina Müller
Anzeige

Überall im FM1-Land findet man Spuren der beiden Weltkriege. In den Wäldern stösst man immer wieder auf Panzer-Stopper, viele von uns haben als Kinder auf alten Bunkern gespielt und auch das eine oder andere Denkmal erinnert an die Kriegszeit. Eines dieser Denkmäler sorgte in der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Wil wenn...» für Fragen. Vor dem Stadtsaal Wil steht eine hohe Steinsäule mit Inschrift. Viele Wiler fragen sich, wofür dieses Denkmal anno dazumal gebaut wurde.

Denkmal für gefallene Soldaten

«Während des ersten Weltkrieges war Wil ein Corps-Sammelplatz. Die Schweizer Soldaten sind zwar nicht in den Krieg gezogen, doch unsere Grenzen mussten auch verteidigt werden», sagt Stadtarchivar Werner Warth gegenüber FM1Today. Wil war der Einrückungsort für die Grenzbesetzung. Im Jahr 1918 sorgte jedoch nicht nur der Krieg für Leid, auch die spanische Grippe grassierte in der Schweiz. Diese forderte weltweit mehr Todesopfer als beide Weltkriege zusammen. Die Symptome der Grippe waren rasende Kopf- und Gliederschmerzen, hohes Fieber und Halsschmerzen. «Da Wil ein Sammelplatz für Soldaten war, wurde hier das Denkmal gesetzt», sagt Warth.

Spanische Grippe tobte auch in der Ostschweiz

«Das Denkmal wurde also für die Wehrmänner, die in Wil gefallen sind, gebaut. Die Soldaten sind aber alle an der spanischen Grippe gestorben», sagt Warth. Die Ansteckungsgefahr bei der spanischen Grippe war enorm. Historiker schätzen, dass weltweit bis zu 100 Millionen Menschen und in der Schweiz 24'500 Personen der Grippe zum Opfer gefallen sind. In Wil lebten zu dieser Zeit 7000 Menschen. 2000 davon – die Soldaten ausgeschlossen – hatten sich mit der spanischen Grippe infiziert. Davon mussten 62 Menschen ihr Leben lassen. Auf dem Denkmal sind 78 Armeeangehörige eingetragen, die aber nicht alle in Wil gestorben sind. Vom 28. Juli bis 3. August 1918 sind in der Ostschweiz 1370 Menschen an der spanischen Grippe gestorben.

Engpässe bei Sargproduktion

Die Krankheit verlief zunächst nicht anders als die gewöhnliche saisonale Grippe. Doch als die grippale Seuche im Sommer 1918 vorbei zu sein schien, passierte etwas, das bis heute ein Rätsel ist. Der Erreger kehrte in mörderisch-mutierter Form zurück, und zwar nicht erst im folgenden Winter, sondern fast nahtlos. Dieses Mal war der Virus noch aggressiver als zuvor und raffte die Menschen reihenweise dahin.

Tatsächlich starben während der zweiten Welle so viele Menschen in so kurzer Zeit, dass es in Europa und den USA zu Engpässen bei der Sargproduktion kam; in den Leichenkammern stauten sich die Verstorbenen, viele wurden schliesslich in anonymen Massengräbern beigesetzt. Es wurden Alarmsysteme für Grippefälle eingeführt, über Häfen und Bahnhöfen Quarantänen verhängt und Isolierstationen in den Spitälern eingerichtet. Durch diese Massnahmen konnte eine weitere Ausbreitung der tödlichen Krankheit ein wenig eingedämmt werden.

veröffentlicht: 13. November 2018 19:52
aktualisiert: 13. November 2018 19:52
Quelle: nm

Anzeige
Anzeige