Prozess

Sarganser Gemeinderat steht wegen Leserbrief vor Gericht – und wird freigesprochen

7. Dezember 2022, 20:35 Uhr
Ein simpler Leserbrief bereitet dem Sarganser Gemeinderat maximalen Ärger: 2019 hatten fünf Behördenmitglieder gemeinsam einer Bürgerin auf zwei Leserbriefe geantwortet – und von dieser im Gegenzug eine Strafanzeige wegen übler Nachrede kassiert. Am Mittwoch standen die Beteiligten vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland.
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Die Weihnachtsbeleuchtung in Sargans wurde Ende 2018 nicht wie in anderen Jahren aufgehängt. Einer Sarganserin war dies ein Dorn im Auge und sie schrieb deshalb einen Leserbrief im «Sarganserländer». Darin richtete sie sich direkt an den Gemeinderat: «Fürs 2019 wünsche ich mir, dass der Gemeinderat [...] alle Sterne in der Adventszeit aufhängt [...].»

Knatsch per Leserbrief

Rund eineinhalb Monate später schrieb die Bürgerin erneut einen Leserbrief. In diesem Fall zum Thema Schotterwerk. Angeblich soll die Gemeinde dies für einen symbolischen Franken gekauft haben, ohne die Bevölkerung darüber zu informieren. Die Sarganserin sorgte sich unter anderem darum, ob es darum beim Steuerzahler liege, falls beim verwahrlosten Gebäude Altlasten auftauchen sollten.

Das Stimme nicht, betont der Gemeinderat zwei Tage später in einer Stellungnahme im «Sarganserländer». Im Schreiben waren einige wertende Formulierungen enthalten. Unter anderem: «Es gehört zu den Pflichten des Gemeinderats [...], bei nicht ganz wiedergegebenen Fakten, ein paar Augen zuzudrücken.»

Die Sarganserin zeigte daraufhin alle fünf damaligen Gemeinderatsmitglieder an und erhielt von der St.Galler Staatsanwaltschaft Recht. Im Strafbefehl wurden alle Behördenmitglieder der üblen Nachrede schuldig gesprochen. Das akzeptierten die Lokalpolitiker aber nicht.

Gemeinderat ist unschuldig

Am Mittwoch kam es zur Verhandlung im Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland. Die Bürgerin forderte eine Entschädigung von je 6700 Franken wegen mehrfacher übler Nachrede, der Gemeinderat pochte auf Freisprüche. Schliesslich sei die Stellungnahme humorvoll gemeint und zur Fasnachtszeit geschrieben worden.

Die Richterin am Kreisgericht befand die fünf Gemeinderatsmitglieder für unschuldig. Die Begründung: Der vom Gemeinderat verfasste Text müsse als Ganzes betrachtet werden und nicht auf einzelne Passagen reduziert werden. So sei der Text nicht ehrverletzend. Ausserdem habe sich die Klägerin mit dem Brief exponiert und musste somit mit Reaktionen rechnen.

Alle Beteiligten haben zehn Tage Zeit, um in Berufung zu gehen. Die Verhandlungskosten übernimmt der Staat.

(red.)

Quelle: TVO
veröffentlicht: 7. Dezember 2022 20:34
aktualisiert: 7. Dezember 2022 20:35
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