Flawil

Spital soll Kompetenzzentrum für Behandlung von Hirnverletzten werden

· Online seit 24.05.2022, 09:43 Uhr
Demnächst werden Flüchtlinge aus der Ukraine ins nicht mehr genutzte Spital in Flawil einziehen. Doch wie weit sind eigentlich die Pläne für das geplante Gesundheits-, Therapie- und Pflegezentrum gediehen? Ein Gespräch mit den Verantwortlichen bringt Klarheit – und zeigt: Flawil wird eine schweizweite Versorgungslücke schliessen.
Regula Weik/St.Galler Tagblatt
Anzeige

Das Spital Flawil gibt es nur noch in den Geschichtsbüchern. Es wurde vor bald einem Jahr geschlossen, die Gebäude stehen leer. Seit einigen Tagen gehen vereinzelt Personen ein und aus. Bald soll Leben in die Liegenschaft zurückkehren, Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden – vorübergehend, längstens bis Ende Jahr. Dann geht es dem ehemaligen Spital definitiv an den Kragen. Anfang nächsten Jahres fahren die Bagger auf, die Gebäude werden abgerissen. Sie seien für die Neuausrichtung ungeeignet, teilten der Kanton und die neue Besitzerin, die Berner Solviva-Gruppe, bereits vor einem Jahr mit. Sie plant auf dem Gelände einen Neubau – ein Kompetenzzentrum für Gesundheit, Therapie und Pflege, wie das «St.Galler Tagblatt» schreibt.

Daran habe sich nichts geändert – und daran ändere auch die Zwischennutzung nichts, sagt Ulrich Kläy, CEO und Verwaltungsrat der Solviva-Gruppe. Die zeitliche Verzögerung – ursprünglich sollte im Spätsommer mit dem Abbruch begonnen werden – erklärt er mit den Planungsarbeiten, die länger gedauert hätten. Die Nutzung der 30 bis 35 Millionen teuren Neubauten sei laufend weiterentwickelt worden – «es kamen immer wieder neue Mietinteressenten auf uns zu». Doch nun seien Konzept und Hauptmieter fix.

Weitere renommierte Partner gewonnen

Bereits früh hatte die Solviva Gruppe einen prominenten, national tätigen Partner mit im Boot, das Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil. Es will Flawil zur Ostschweizer Aussenstelle für die ambulante Behandlung und Betreuung querschnittsgelähmter Menschen machen. Zweiter Mieter ist das Kantonsspital St.Gallen, das ambulante Leistungen und Spezialsprechstunden für die hiesige Bevölkerung anbieten wird. Neu wird als weitere Mieterin auch das Zentrum für Labormedizin einziehen. Und heute auch bereits klar ist, dass die Psychiatrie Nord und ein Hausärztezentrum einziehen werden.

Im Herbst hatte Solviva-CEO Kläy gegenüber dieser Zeitung verraten, dass die Absichtserklärungen zwei weiterer Spezialkliniken vorlägen. Die Namen liess er damals offen. Doch nun lässt er die Katze aus dem Sack: Es sind die Rehaklinik Valens und die aargauische Rehaklinik Bellikon.

In Flawil wird ein neues Behandlungskonzept aufgebaut

Auf der Liste der künftigen Mieterinnen und Mieter sucht man die beiden renommierten Kliniken allerdings vergeblich. Dafür taucht ein bislang unbekanntes Unternehmen auf, die Cereviva AG. Die Erklärung liefert Roland Brun, Vizeverwaltungsratspräsident der Solviva-Gruppe: Die Cereviva AG ist ein eigenständiges Unternehmen der Solviva-Gruppe, das sich auf die nachklinische Therapie und Pflege von Menschen mit Hirnverletzungen spezialisieren wird.

Weder Brun noch Kläy sind Ärzte. Wie wissen sie, welche Behandlungen und Therapien hirnverletzten Patienten nach Spital- und Rehaaufenthalt weitere Besserung bringen können? Brun sagt: «Das Behandlungskonzept wird in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten aus der Intensivpflege, Neurologie, Rehabilitation und Psychiatrie entwickelt.» Und natürlich gemeinsam mit Valens und Bellikon erarbeitet – «es baut auf deren Erfahrungen und Bedürfnissen auf».

Brun stellt aber gleich klar: «Flawil wird kein Ersatz für Valens und Bellikon. Es konkurrenziert deren rehabilitationsmedizinischen Angebote nicht.» Flawil setze nach dem Klinikaufenthalt an. Die Patientin, der Patient erhalte so während zwölf Monaten die Möglichkeit für weitere Therapien, die Chance für weitere Verbesserungsschritte. Heute sei nach Spital und Rehaklinik häufig das Pflegeheim der nächste Schritt – «gerade für junge Menschen eine schwierige und keine adäquate Lösung».

75 Behandlungsplätze sind in Flawil geplant. Was gibt den Solviva-Verantwortlichen die Gewissheit, dass dafür eine Nachfrage besteht? Die Idee sei nicht am Schreibtisch entstanden, sagt Kläy. Im Austausch mit Rehakliniken hätten sie festgestellt: «Solche Plätze fehlen heute in der ganzen Schweiz. Da besteht eine Versorgungslücke, und zwar akut.» So hätten allein die beiden Kliniken Valens und Bellikon zugesichert, jährlich 50 Patienten nach Abschluss der Akutreha nach Flawil schicken zu wollen.

Ein anderer Platz auf der nationalen Gesundheitskarte

Dennoch die Frage: Muss dafür eine neue Firma gegründet werden? Ist der Schritt eine Reaktion auf den wiederholt gehörten Vorwurf, Solviva konkurrenziere die Pflegeheime in der Region? Oder sehen die Verantwortlichen in der nachklinischen und therapeutischen Behandlung von Hirnverletzten ein Tätigkeitsgebiet, das sich auf andere Regionen ausweiten lässt? «Beides», sagen Brun und Kläy.

Grundlage, dass sie überhaupt in Flawil arbeiten könnten, sei der Leistungsauftrag des Kantons. Diesen hätten sie für «medizinische Sonderpflege» erhalten, sagt Kläy. Geriatrische Pflege sei explizit ausgenommen. «Wir sind also keine Konkurrenz für die Pflegeheime.» Und Kläy weiter: «Wir sind auch kein Pflegeheim für Hirnverletzte. Wir sind ein nachklinisches Therapieangebot.»

Flawil werde künftig auf der nationalen Gesundheitskarte anders positioniert sein als zu Zeiten des Spitals, ist Brun überzeugt. «Wir haben einen klaren Plan für Flawil. Es soll nationales Kompetenzzentrum für die nachklinische Therapie und Pflege von Hirnverletzten werden.» Und ja, sie könnten sich vorstellen, gleiche oder ähnliche Behandlungen auch andernorts in der Schweiz anzubieten. Auch in der Ostschweiz, konkret in Appenzell? Es ist bekannt, dass die Innerrhoder Regierung die Solviva-Gruppe mit einer Vorstudie für ein Gesundheitszentrum beauftragt hat. Für eine Aussage dazu sei es noch zu früh, sagt Kläy, die Abklärungen liefen noch.

Ein offenes Büro für Fragen und Anliegen

Nach den nächsten konkreten Schritten in Flawil gefragt, antwortet der Solviva-CEO: Im Sommer werde das Baugesuch eingereicht. Sorgen, dass die drei geplanten Gebäude dereinst nicht ausgelastet sein werden, macht er sich nicht. Bereits heute sei 90 Prozent der Fläche belegt – und das zweieinhalb Jahre vor der Eröffnung.

Rascher, nämlich noch vor den Sommerferien, eröffnet Solviva an der Bahnhofstrasse in Flawil ein Projektbüro – zugänglich für alle, die Anliegen oder Fragen zum künftigen Gesundheits-, Therapie- und Pflegezentrum haben. Besucherinnen und Besucher werden dort einem bekannten Gesicht begegnen: «Bürochef» wird Markus Brändle, ehemaliger Leiter des regionalen Seniorenzentrums Solino in Bütschwil.

veröffentlicht: 24. Mai 2022 09:43
aktualisiert: 24. Mai 2022 09:43
Quelle: St.Galler Tagblatt

Anzeige
Anzeige