Coronavirus

St.Galler Infektiologe: «Jeder Fünfte hat schwere Symptome»

25.02.2020, 16:21 Uhr
· Online seit 24.02.2020, 17:54 Uhr
Die Angst vor dem Coronavirus ist da und inzwischen gibt es in der Schweiz auch einen ersten betätigten Fall. Wir haben mit Cornoavirus-Spezialist Philipp Kohler, Oberarzt am Kantonsspital St.Gallen, über das neuartige Virus gesprochen.
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Wie gefährlich ist das Coronavirus wirklich?
Philipp Kohler, Oberarzt Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital St.Gallen: Über 80 Prozent der Infizierten haben milde Symptome wie zum Beispiel bei einer Erkältung. Jeder Fünfte hat jedoch schwere Symptome, diese können bis zur Lungenentzündung führen. Aus den Daten, die wir bis jetzt haben, ist es schwierig, abzuschätzen, ob wir einfach nur die Spitze des Eisbergs sehen oder ob es noch viel mehr milde Verläufe gibt, die wir nicht kennen. Damit würde die Todesfallrate in dieser Situation eher überschätzt.

Wer ist besonders gefährdet?
So wie es jetzt aussieht und von dem, was wir von China wissen, sind vor allem ältere Patienten betroffen. Das sind die über 60-Jährigen, die klar das grösste Risiko haben und auch am ehesten an dieser Erkrankung sterben. Jugendliche und Kinder sind eher von milden Symptomen betroffen.

Bei welchen Symptomen muss man reagieren?
Vor allem im Anfangsstadium der Krankheit kann man nicht entscheiden, ob es ein gewöhnliches Erkältungsvirus, eine Grippe (Influenza-Virus) oder das Coronavirus ist. Deshalb braucht es nebst den Symptomen einen Aufenthalt im Risikogebiet oder den Kontakt mit einem bestätigten Coronavirus-Patienten. Wenn das gegeben ist, kann es sein, dass Schnupfen, Fieber, trockener Husten oder allgemeines Unwohlsein Zeichen einer CoV-2-Virusinfektion sind. Wer zusätzlich in einem Risikogebiet war oder Kontakt mit einem bestätigten Fall hatte, der sollte seinen Arzt telefonisch kontaktieren, zu Hause bleiben und Menschenansammlungen meiden.

Wie kann man sich vor dem Coronavirus schützen?
Sich von grösseren Menschenmengen fernhalten, die Hände regelmässig waschen und bei einer Begrüssung keine Hände schütteln oder Küsse geben. Wichtig ist auch: In die Ellenbeuge niesen. Wer Symptome hat und in einem Risikogebiet war, dem wird empfohlen zu Hause bleiben. Wer trotzdem in die Öffentlichkeit geht, sollte eine Maske anziehen.

Merkt das Kantonsspital St.Gallen etwas von der Coronavirus-Angst?
Seit etwa drei Wochen melden sich vermehrt Leute, die in Asien waren und Erkältungssymptome haben. Seit den Fällen in Italien, ist die Verunsicherung der Leute noch grösser. Grundsätzlich ist es gut, wenn sich die Personen melden. Momentan ist aber auch Grippesaison und viele haben einfach die Symptome einer Grippe oder Erkältung.

Zuerst wurden in China und jetzt auch in Italien einzelne Regionen, Dörfer oder Städte abgeriegelt. Wird das auch in der Schweiz passieren?
Ich denke eher nicht. Das sind extreme Massnahmen, die bei uns wahrscheinlich unverhältnismässig wären. Sobald das Coronavirus bei uns ist, ergibt es wenig Sinn, einzelne Städte und Dörfer abzuriegeln, das Virus hat sich dann bereits verbreitet.

Wieso wurden diese extremen Massnahmen in China ergriffen? 
Das ist eine etwas andere Situation: Als man das Virus entdeckte, hatte man das Gefühl es sei eine schwer verlaufende Erkrankung. Dies weil man nur die Spitze des Eisbergs, also die vielen Todesfälle, gesehen hat. Man hatte das Gefühl, man müsse alles machen, damit sich das Virus nicht verbreitet. Ausserdem hatte China schon eine ähnliche Situation mit der Sars-Epidemie vor rund 20 Jahren: Damals sind die Chinesischen Behörden unter Druck geraten, es hiess sie hätten zu wenig getan und vielleicht hat man deshalb in der jetzigen Situation diese rigorosen Massnahmen ergriffen.

Hat man überreagiert? 
Ich finde wichtig, dass man sich bewusst ist, das das Coronavirus keine Ebola oder Pest ist. Es ist zwar eine unangenehme Erkrankung, mit einer gewissen Gefährlichkeit. Aber wie gesagt, ein Grossteil der Erkrankten hat milde Symptome und wir haben im Moment auch die Grippeepidemie. Es ist wichtig, dass man eine gewisse Verhältnismässigkeit im Auge behält und nicht in Panik gerät.

veröffentlicht: 24. Februar 2020 17:54
aktualisiert: 25. Februar 2020 16:21
Quelle: FM1Today

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