St.Gallen

Tanzverbot missachtet: Ostschweizer Clubbesitzer freigesprochen

· Online seit 06.09.2021, 12:51 Uhr
Ein Clubbesitzer, in dessen Lokal im vergangenen Herbst trotz Verbot getanzt und im Stehen konsumiert wurde, erhielt eine Busse von 250 Franken. Vom Kreisgericht St.Gallen wurde der Mann nun freigesprochen.
St.Galler Tagblatt/Claudia Schmid
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Der Clubbesitzer wehrte sich am Kreisgericht St.Gallen gegen einen Strafbefehl, den er erhalten hatte, weil in seinem Lokal am 17. Oktober 2020, nachts um 2.30 Uhr einige Leute tanzten und im Stehen konsumierten, wie das St.Galler Tagblatt berichtet. An jenem Tag bestand gemäss den damalig geltenden kantonalen Bestimmungen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ab Mitternacht ein Tanzverbot und ein Verbot der Konsumation im Stehen in Gastrobetrieben. Der Beschuldigte hätte eine Busse von 250 Franken bezahlen sollen.

Polizeipatrouillen besuchen Clubs

An der Gerichtsverhandlung erklärte zunächst ein Polizeibeamter, wie es zur Anzeige gegen den Clubbesitzer kam. Demnach löste am Freitag, 16. Oktober 2020, ein neuer kantonaler Beschluss in der Covid-19-Verordnung (besondere Lage) eine Polizeiaktion aus. Die neuen gesetzlichen Weisungen seien nachmittags publiziert worden und bereits am Samstag, 17. Oktober, in Kraft getreten, erzählte der Polizeibeamte. Weil die Frist zwischen Publikation und Umsetzung der Neuerungen nur wenige Stunden gedauert habe, seien vor Mitternacht mehrere Polizeipatrouillen unterwegs gewesen und hätten in Bars und Clubs auf die neue Vollzugsverordnung aufmerksam gemacht. Laut Protokoll seien rund 50 Lokale besucht worden.

Nach Mitternacht kontrollierte eine kleinere Anzahl Polizisten rund zehn Lokale. Den Club des Beschuldigten besuchten der Beamte, der als Auskunftsperson vor Schranken war, und zwei seiner Vorgesetzten. Sie trafen dort zwischen 150 und 200 Leute an. Vereinzelte tanzten und konsumierten stehend Getränke, obwohl dies seit Mitternacht verboten war. Sie hätten den Vorfall protokolliert und das Protokoll der zuständigen Dienststelle weitergeleitet, sagte der Polizeibeamte. Einen Monat später erhielt der Beschuldigte einen Strafbefehl.

Gegen die Gleichbehandlung verstossen

Ihm gehe es mit der Einsprache gegen den Strafbefehl nicht darum, gegen die Covidmassnahmen einzutreten, stellte der Clubbesitzer klar. Er erachte sie im Gegenteil als sinnvoll und habe immer darauf geachtet, dass sie in seinem Lokal eingehalten würden. Es habe während der Pandemie nie einen Covid-19-Fall in den Räumlichkeiten gegeben.

Was ihn an der Anzeige stark «wurme», sei die Tatsache, dass bei ihm keine Patrouille vor Mitternacht vorbeigekommen sei. Er sei somit nicht wie die anderen vorgewarnt und darüber aufgeklärt worden, ab wann und was genau nun gelte. Dadurch fühle er sich gegenüber den anderen Clubbesitzern ungleich behandelt. Er sei an jenem Nachmittag unterwegs gewesen und als er von neuen Bestimmungen gehört habe, habe er niemanden mehr erreichen können, um Erkundigungen einzuholen. Seines Wissens sei die Verordnung gegen 16 Uhr veröffentlicht worden.

Keine neuen Gäste hereingelassen

Für ihn sei nicht klar gewesen, dass die Weisung ab Mitternacht gelte, betonte der Clubbesitzer weiter. Er sei eher davon ausgegangen, dass sie für den Abend des 17. Oktobers, also quasi den neuen Arbeitstag gelten würden. Dennoch habe er ab Mitternacht keine neuen Gäste mehr in den Club eingelassen und die Lautstärke der Musik stark zurückgedreht. Dadurch habe der überwiegende Teil der Leute nicht mehr getanzt. Ausserdem habe das Personal darauf aufmerksam gemacht, dass man nun nicht mehr im Stehen konsumieren dürfe.

Der Strafbefehl sei ihm unverständlich, da er mit einem der Vorgesetzten der Auskunftsperson ein längeres Gespräch geführt habe. Dabei sei es auch darum gegangen, um welche Uhrzeit er das Lokal schliessen müsse. Der Polizist habe ihm gesagt, die Gäste müssten spätestens um 4 Uhr morgens den Club verlassen. Dies habe er eingehalten. Gegen das Verhalten der Patrouille während der Kontrolle habe er nichts einzuwenden. Die Beamten hätten sich korrekt verhalten. Sie hätten schliesslich nichts anderes als ihre Arbeit gemacht.

Richter zeigt sich kulant

Der Einzelrichter am Kreisgericht St.Gallen fällte einen Freispruch. Hätte er die Sachlage rein rechtlich beurteilt, wäre auch ein Schuldspruch in Frage gekommen, erklärte er zu seinem Entscheid. Denn Tatsache sei, dass der 17. Oktober 2020 kurz nach Mitternacht begonnen habe und die Verordnung dann in Kraft getreten sei. Nun gebe es aber in diesem Fall mehrere Gründe, weshalb er mit Überzeugung zu einem Freispruch gelangt sei.

Einerseits sei es tatsächlich so, dass ein Arbeitstag in einem Club, nicht um Mitternacht ende, sondern bis in die Morgenstunden dauere. Deshalb sei es verständlich, dass der Clubbesitzer den Zeitpunkt der Inkraftsetzung anders interpretiert habe. Zudem habe er ab Mitternacht keine neuen Gäste in den Club gelassen, weshalb ab diesem Zeitpunkt auch die Gefahr neuer Ansteckungen nicht vorhanden gewesen sei. Den Umstand, dass er nicht wie andere Clubbesitzer vorgewarnt worden sei, erachte das Gericht tatsächlich als Ungleichbehandlung, obwohl es kein Recht auf Vorinformation gegeben habe.

Der Einzelrichter sprach auch das Publikationsgesetz an. Dieses besagt, dass rechtsgültige Erlasse wenigstens fünf Tage vor Vollzugsbeginn veröffentlicht werden müssen. Nur bei unaufschiebbarem Regelungsbedarf dürfe davon abgesehen werden. Dies könne zwar bei den Covidmassnahmen der Fall sein. Jedoch sei eine Publikation acht Stunden vor dem Inkrafttreten doch sehr kurzfristig, um geeignete Massnahmen treffen zu können. Die Kosten des Gerichtsverfahrens im Umfang von 1250 Franken trägt der Staat.

veröffentlicht: 6. September 2021 12:51
aktualisiert: 6. September 2021 12:51
Quelle: St.Galler Tagblatt

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