Museum

Textilmuseum St.Gallen geht in den Untergrund

· Online seit 31.03.2022, 10:17 Uhr
Das Textilmuseum St.Gallen muss 135 Jahre nach seiner Eröffnung erneuert werden. Die Trägerstiftung will eine rund 1300 Quadratmeter grosse Ausstellungshalle unter dem Gebäude schaffen. Wann das Projekt umgesetzt wird, steht noch in den Sternen.
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«Der Vorschlag hat von Anfang an polarisiert», sagt Jurypräsident und ehemaliger Kantonsbaumeister Werner Binotto in einem Video-Statement zur Ausstellung «Gestern. Heute. Übermorgen.» im Textilmuseum St.Gallen. In der Ausstellung werden bis zum 3. April alle prämierten Projekte und das Siegerprojekt «Das Schwere ist des Leichten Wurzelgrund» des Büros Christian Kerez Architekt vorgestellt.  

Kerez will das gesamte Textilmuseum St.Gallen unterkellern. «Der Schritt in den Untergrund würde die Ausstellungsfläche für die Ausstellungen und die Sammlungen massiv vergrössern», sagt der Zürcher Architekt. Das gäbe für einen Kurator einen ungeheuren Freiraum.

Gesucht waren eigentlich Ideen für eine Aufstockung und einen Dachbalkon. Ein neuer Dachaufbau würde das Gebäude aber sichtbar verändern, findet Kerez. Auch die Fläche für neue Ausstellungsmöglichkeiten wäre viel geringer als im Untergeschoss. Ausserdem müssten die Besucherinnen und Besucher bis in den vierten Stock hochsteigen.

Denkmalpflegerische Bedenken

Stattdessen schlägt er die Absenkung des heutigen Hochparterres aufs Strassenniveau vor, was das Haus offener und einladender machen und fünf Meter hohe Räume schaffen würde. «Wir wollen das Textilmuseum stärker an die Stadt anbinden», sagt Vincenzo Montinaro, Präsident des Stiftungsrats Textilmuseum St.Gallen, auf Anfrage von Keystone-SDA.

Die Stiftung sei schon in der Ausschreibung von einer Unterkellerung ausgegangen. Dabei standen aber das Archiv und die Sammlung im Vordergrund. Heute lagern in den Depots des Textilmuseums zirka 56'000 Objekte. Die Bestände könnten weder fachgerecht konserviert noch digital erschlossen werden, so Montinaro. Die Sammlung, das Depot und das Lager sollen künftig im Dachgeschoss untergebracht werden.

Das Projekt hat denkmalpflegerische als auch statische Bedenken ausgelöst. Mit dem ETH-Professor Joseph Schwartz habe ein «Topstatiker» das Vorhaben analysiert. «Das Ergebnis war überraschend positiv», erklärt Montinaro. Dank einer speziell angelegten Kassettendecke könnten die Kräfte abgefangen und über die Seitenwände gleichmässig verteilt werden.

Auf private Geldgeber angewiesen

Die Stiftung habe zudem das Gespräch mit den Denkmalschutzbehörden gesucht. «Das Eis lässt sich brechen», meint Montinaro. Es gebe viel Goodwill von Stadt und Kanton, die das Textilmuseum jedes Jahr mit je 430'000 Franken subventionieren. Für die Kosten, die laut Montinaro im zweistelligen Millionenbereich liegen dürften, sollen mehrheitlich Privatpersonen, Firmen und Stiftungen aufkommen.

Als nächster Schritt gehen die Verantwortlichen mit dem Projekt auf Tournee, um Spenden zu sammeln. Wann mit einem Baubeginn zu rechnen ist, bleibt ungewiss. «Wir verfolgen eine Vision, die auch in zehn Jahren noch aktuell ist», sagt Montinaro. Es sei ein «irrsinnig schönes» Leuchtturm-Projekt, das die Stadt St.Gallen kulturell weiterbringe.

Das 1878 gegründete Textilmuseum St.Gallen beherbergt eine der bedeutendsten Textilsammlungen der Schweiz mit Geweben und Stickereien aus aller Welt und vielen Jahrhunderten, Musterbüchern, Entwurfszeichnungen und Fotografien.

Die Stiftung Textilmuseum wurde 2018 gegründet. Sie übernahm das Museumsgebäude und die textilen Sammlungen von der IHK-Stiftung St.Gallen-Appenzell. 2021 besuchten rund 20'000 Gäste das Textilmuseum. Ein Jahr zuvor lockte alleine die Ausstellung zum Schweizer National-Circus Knie 44'000 Besucherinnen und Besucher an. Mittelfristig strebt das Museum durchschnittlich 50'000 Eintritte im Jahr an.

veröffentlicht: 31. März 2022 10:17
aktualisiert: 31. März 2022 10:17
Quelle: sda

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