Kantonsgericht St.Gallen

Totschlag mit Schuhlöffel: Gericht mildert Strafe gegen 69-Jährigen – aber nur minim

· Online seit 16.11.2022, 14:14 Uhr
Ein Mann, der seine Frau im Affekt erschlug, hat am Kantonsgericht um eine mildere Strafe gebeten. Das Gericht hob den Entscheid der Vorinstanz zwar auf, reduzierte die Strafe aber nur minim.
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Das Kreisgericht St.Gallen hatte den 69-jährigen Staatsangehörigen von Serbien und Kosovo im September 2020 wegen Totschlags schuldig gesprochen. Es verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von sechseinhalb Jahren. Zudem sprach es eine Landesverweisung von sieben Jahren aus. Gegen dieses Urteil erhob der Beschuldigte Einsprache. An der Berufungsverhandlung beantragte sein Verteidiger laut dem «St.Galler Tagblatt» eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und den Verzicht auf eine Landesverweisung. Der Schuldspruch wegen Totschlags war nicht bestritten.

Attacken und Schimpftiraden erlebt

An der Berufungsverhandlung erzählte der Mann, er sei vor bald 50 Jahren in die Schweiz gekommen, weil die Wirtschaftslage in der Heimat sehr schlecht gewesen sei. 1979 habe er eine Landsfrau geheiratet und sie hätten fünf Kinder bekommen. Frau und Kinder blieben zunächst im Balkan und lebten ab 1994 ebenfalls in der Schweiz. Anfangs sei das Zusammenleben mit der Ehefrau sehr gut verlaufen, erklärte er. Mit seiner Pensionierung ab dem Jahr 2013 habe sich die Frau aber verändert und das Verhältnis zwischen ihnen sei schlechter geworden.

Der vorsitzende Richter konfrontierte den Beschuldigten mit dem Inhalt der Anklageschrift. Darin wurde festgehalten, dass sie in ihrer als impulsiv, teils als aggressiv und streitsüchtig beschriebenen Art begonnen habe, ihrem Ehemann regelmässig Vorwürfe zu machen, ihn zu beschimpfen und zu erniedrigen und seelisch tief zu verletzen. Die gemeinsamen Kinder hätten ihren Vater durchwegs als angenehme und ruhige Person beschrieben. Er habe mit Ruhigbleiben, Schweigen, Ausharren und manchmal mit Weglaufen auf die Aggressionen seiner Frau reagiert. Nie sei er gegen sie laut oder tätlich geworden.

Offenbar thematisierten die Kinder die sich verschlechternde Situation im Elternhaus. Sie hätten den Gedanken ausgetauscht, der Mutter würde wohl eine psychiatrische Behandlung guttun. Bei der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft gaben sie zu Protokoll, ihre Mutter sei eigentlich ein herzensguter Mensch gewesen, aber dann habe es Situationen gegeben, wie wenn ein Schalter umgelegt würde, und sie habe zu fantasieren begonnen. Der Beschuldigte bestätigte den zitierten Inhalt aus der Anklageschrift.

Mit Schuhlöffel auf Kopf geschlagen

Am Karfreitag 2019 kam es schliesslich zur Familientragödie: Bereits am Morgen soll das Opfer den Ehemann wiederholt massiv beleidigt und erniedrigt haben. «Obwohl er bis dahin die Schimpftiraden und Beleidigungen seiner Frau stets besonnen und ruhig über sich ergehen liess, verhielt er sich diesmal anders als sonst. Die andauernden Vorwürfe und Beschimpfungen seiner Frau setzten ihm innerlich und von ihm nicht direkt wahrgenommen derart zu, dass in ihm die Provokationen an diesem Morgen eine unkontrollierte Reaktion auslösten», heisst es in der Anklageschrift.

Der Beschuldigte schlug der Frau zuerst ins Gesicht, ergriff dann einen metallenen Schuhlöffel und schlug damit immer wieder auf ihren Kopf ein. Danach rief er die Polizei an. Er erklärte, er habe seine Frau geschlagen und sie sei fast tot. Nach dem Eintreffen von Ambulanz und Polizei liess er sich offenbar widerstandslos festnehmen. Später sagte er aus, er habe nie den Gedanken in sich getragen, seine Frau umzubringen. Immer wieder beteuerte er vor Gericht, ihm tue das Geschehene unendlich leid.

Alle sozialen Kontakte in der Schweiz

Der Verteidiger betonte, die Vorinstanz habe ein weit überhöhtes Strafmass gesprochen. Darin seien die Umstände, weshalb es zur Tat gekommen sei, nicht berücksichtigt. Sein Mandant sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen und sofort aus der Sicherheitshaft, in der er sich seit eineinhalb Jahren befinde, zu entlassen. Auf eine Landesverweisung sei zu verzichten. Alle seine Kinder und Enkelkinder, zu denen er engen Kontakt habe, lebten in der Schweiz. Hier habe er während 40 Jahren gearbeitet und sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Er sei in der Schweiz integriert. Müsse er zurück in seine Heimat, verliere er sämtliche sozialen Kontakte.

Der Staatsanwalt plädierte auf Abweisung der Berufung. Die Vorinstanz habe ihr Urteil sorgfältig begründet, erklärte er. Sie habe argumentiert, die Tat sei sehr brutal gewesen und in ihrer Heftigkeit nicht nachzuvollziehen. Das Kantonsgericht St.Gallen gab sein Urteil schriftlich bekannt. Es hob den Entscheid der Vorinstanz zwar auf, reduzierte die Freiheitsstrafe aber lediglich von sechseinhalb Jahren auf sechs Jahre und drei Monate. Auch die Landesverweisung von sieben Jahren bleibt bestehen. Der Beschuldigte hat die Kosten sämtlicher Untersuchungs- und Gerichtsverfahren zu bezahlen. Sie betragen rund 50'000 Franken.

veröffentlicht: 16. November 2022 14:14
aktualisiert: 16. November 2022 14:14
Quelle: St.Galler Tagblatt/Claudia Schmid

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