Beflaggung

Ukraine-Flagge am Regierungsgebäude lässt die SVP-Seele hochkochen

14.09.2022, 13:55 Uhr
· Online seit 14.09.2022, 13:00 Uhr
Während der Sessionen des St.Galler Kantonsparlaments ist das Regierungsgebäude geschmückt – mit einer Schweizer und einer St.Galler Flagge. Im Frühling wich die Regierung davon ab. Zum grossen Missfallen der SVP. Die Partei forderte daraufhin ein neues Beflaggungsregime – erfolglos, wie sich nun zeigt.
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Wenn das St.Galler Kantonsparlament tagt, wird das Regierungsgebäude beflaggt: Rot-Weiss und Grün-Weiss. Nation und Kanton hängen dann schlapp an der Fassade. Oder flattern munter miteinander im Wind. Auch wenn sie sich längst nicht immer grün sind.

In der Frühlingssession fehlte die Schweizer Flagge, wie das «St.Galler Tagblatt» schreibt. Nicht etwa, weil sich St.Gallen mit Bern überworfen hätte. Der Grund war ein anderer. Der Krieg in der Ukraine. Und so flatterte am Regierungsgebäude statt der Schweizer Flagge jene der Ukraine. Blau-Gelb statt Rot-Weiss.

Das missfiel der SVP – und zwar gründlich. Gar manches Mitglied schritt mit hochrotem Kopf ins Regierungsgebäude. Das strahlende Sünneli war nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Seele der Fraktion kochte. Sie glaubte im Hissen der Ukraine-Flagge einen Bruch der Neutralität zu erkennen – und wurde postwendend aktiv.

In einem parlamentarischen Vorstoss forderte die Fraktion eine Änderung des Geschäftsreglements des Kantonsparlaments: Es gehe nicht länger an, dass die Regierung über die Beflaggung des Regierungsgebäudes bestimme. Es sei fraglich, ob sie überhaupt über diese Kompetenz verfüge. Künftig, so die SVP, soll das Kantonsparlament entscheiden, was an der Fassade hängt.

Bisherige Beflaggungshoheit analysiert

Ein Schelm, wer nun denkt: Typisch SVP, die Partei hat es ohnehin nicht so mit Flüchtlingen und Zuwanderung. In ihrem Vorstoss betont sie jedoch: Auch sie wolle ihr Mitgefühl gegenüber den Kriegsopfern zum Ausdruck bringen. Es gebe auch Kriegsopfer aus andern Ländern, die ebenso ein Gedenken verdient hätten, doppelte ihr Präsident Walter Gartmann in der Debatte nach. Dennoch sei die Ukraine-Flagge störend – insbesondere, dass die Regierung dafür kurzerhand die Schweizer Flagge entfernt habe.

Das Ansinnen der SVP landete auf dem Pult des Präsidiums des Kantonsparlaments. Es hat sich in den vergangenen Wochen intensiv mit der Beflaggungskompetenzfrage auseinandergesetzt – und es will an der bisherigen Beflaggungshoheit der Regierung festhalten. Bis zur Frühlingssession habe diese «kaum je zu Diskussionen oder Anständen» geführt. Grundsätzlich habe es Verständnis für die Forderung des Parlaments, bei der Beflaggung während der Sessionen mitreden zu wollen. Dennoch möchte das Präsidium an der einheitlichen Zuständigkeit für das ganze Jahr festhalten – und diese nicht zeitlich zwischen Regierung und Parlament aufteilen.

Abweichungen künftig bitte melden!

Ganz so frei wie bisher ist die Regierung freilich nicht mehr. Will sie künftig von der üblichen Beflaggung während der Sessionen abweichen, soll sie bitte das Präsidium informieren.

Ob die Regierung bereits in der Septembersession erneut Flagge zeigt, werden die Mitglieder des Kantonsparlaments am Montag erfahren – beim Blick hinauf an die Fassade. Möglicherweise aber auch beim einen oder andern Geschäft.

Noch offen ist, ob sich die SVP mit der angestrebten Flaggenlösung anfreunden kann. Bereits wird von einer nächtlichen Beflaggungsaktion gemunkelt. Noch strittig sei die Frage, ob Grün-Weiss wie üblich rechts über dem Durchgang des Regierungsgebäudes hängen soll – oder passender das lachende SVP-Sünneli.

veröffentlicht: 14. September 2022 13:00
aktualisiert: 14. September 2022 13:55
Quelle: St.Galler Tagblatt/Regula Weik

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