Tötungsdelikt Buchs

Verhandlung vor Kreisgericht in Mels: Teenie-Liebe mündet in Femizid

· Online seit 24.11.2022, 08:23 Uhr
Am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland in Mels ist am Mittwoch ein brutaler Femizid verhandelt worden. Der Staatsanwalt forderte wegen vorsätzlicher Tötung 12 Jahre Freiheitsentzug, der Verteidiger plädierte auf 4,5 Jahre wegen fahrlässiger Tötung. Das Urteil folgt am Montag.

Quelle: TVO

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Zur Tat kam es am Abend des 23. Februar 2021 im st.gallischen Buchs. Der heute 25-jährige Beschuldigte prügelte wie früher schon auf seine knapp 22-jährige Freundin und Mutter des gemeinsamen Kindes ein. Sie erlitt tödliche Verletzungen.

Der Tod der jungen Frau war trauriger Endpunkt einer Beziehung, die als Teenager-Liebe begann und immer toxischer wurde. Kennen gelernt hatten sich die beiden mit rund 14 beziehungsweise 16 Jahren. Als sie 2019 schwanger wurde, zogen sie zusammen in eine Wohnung in Buchs.

Für die Schweizerin war der Somalier die «grosse Liebe». Für ihn war sie weniger wichtig Er machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Freundin. Er beschimpfte und beleidigte sie immer aggressiver, kontrollierte sie und isolierte sie zunehmend von ihrem Umfeld.

Mit Kleiderstange totgeprügelt

Sie versuchte, Konflikte zu vermeiden, ihm nicht zu widersprechen, ihm alles recht zu machen. Sie schluckte seine Vorwürfe und Anschuldigungen und suchte die Schuld für die immer häufigeren Streitigkeiten bei sich selbst. Ab Herbst 2020 arteten die Auseinandersetzungen immer wieder in brutale Schläge aus.

Am Abend des 23. Februar 2021 schlug er mit der Stange eines Kleiderständers so heftig zu, dass sie schwere innere Blutungen und eine Fettembolie erlitt. Die Sanitäter, die der Mann mit mehreren Minuten Verspätung rief, konnten die Verletzte nicht mehr retten.

12 Jahre Gefängnis und Landesverweis

An der Leiche stellten die Rechtsmediziner zahlreiche teils schwere Verletzungen unterschiedlichen Alters fest. «Der Körper war grün und blau geschlagen», sagte der Staatsanwalt. Er wirft dem Beschuldigten eventualvorsätzliche Tötung vor. Er habe den Tod seiner Partnerin in Kauf genommen. Dazu kommen mehrere einfache und schwere Körperverletzung sowie Betäubungsmitteldelikte.

Der Ankläger fordert eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren und eine Busse von 100 Franken. Zudem soll der Somalier für 7 Jahre aus der Schweiz verwiesen werden. Für den in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Mann liege zwar wohl ein Härtefall vor. Die Interessen der Gesellschaft hätten aber ein höheres Gewicht.

«Niemals den Tod gewollt»

Ganz anders sah es der Verteidiger. Sein Mandant habe die Frau nicht schwer verletzen, geschweige denn töten wollen. Die Schläge habe er eingestanden, er sei deshalb wegen mehrfacher einfacher und fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu verurteilen. Er plädierte auf eine Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren. Von einer Landesverweisung sei abzusehen.

Der Beschuldigte selbst versicherte, er habe niemals den Tod seiner Freundin gewollt. Kennengelernt hätten sie sich mit etwa 14 beziehungsweise 16 Jahren. Es habe gute und weniger gute Zeiten gegeben. Dass er ihr gegenüber eine grobe, abwertende Sprache benutzte, sei nicht so gemeint gewesen.

Er habe sehr viel gearbeitet und sei deshalb enorm gestresst gewesen. Dass seine Freundin mit der Kinderbetreuung überlastet war, dass sie erschöpft war und Hilfe benötigte, sei ihm erst im Laufe der Untersuchung klar geworden. In seinem Schlusswort bat er um Entschuldigung. Er beteuerte, wie leid ihm alles tue. Er bereue, was er getan habe und schäme sich.

Die Vertreterin der Eltern des Opfers und jene des heute fast dreijährigen Kindes forderten eine Verurteilung gemäss Anklage. Den Hinterbliebenen seien Genugtuungszahlungen und Schadenersatz von total über 150'000 Franken auszurichten.

Muster nicht untypisch

Dieser Fall von häuslicher Gewalt schockiert auch Silvia Vetsch vom Frauenhaus St.Gallen. Der Mann hatte seiner Freundin verboten, ihre Familie und Freunde zu sehen. Trotz mehrerer Trennungen gab die Frau ihrem Freund immer wieder eine Chance. Das Muster sei nicht untypisch, wie Vetsch gegenüber TVO erklärt: «Es kann sein, dass es harmloser beginnt, beispielsweise mit Ohrfeigen oder verbaler Gewalt.» Wenn sich dann das Opfer nicht dem Willen des Täters anpasse, dann können sich die Fälle zuspitzen. In diesem Fall gar bis zur Tötung. Für Vetsch ist klar: Ab dem Moment, in der eine Person Angst vor dem Partner bekommt, soll die Polizei alarmiert werden.

(sda/mma)

veröffentlicht: 24. November 2022 08:23
aktualisiert: 24. November 2022 08:23
Quelle: sda

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