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Warum uns der Zwangs-Verzicht in der Krise guttut

· Online seit 25.04.2020, 09:49 Uhr
Verzichten, um danach zu schätzen, was man hat. Fasten ist schon seit Jahrhunderten ein Ritual, um das Leben wieder mehr zu schätzen. Durch Social Distancing und das Versammlungsverbot leben viele seit Wochen aber in einem Zwangs-Fasten und müssen dabei vor allem auf Körperkontakt verzichten. Das könnte uns nachhaltig prägen, sagt ein Psychotherapeut.
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«Wenn man jetzt mehrere Wochen isoliert leben muss und niemanden berühren darf, kann das eine seelische Herausforderung sein. Aber das kann auch gut sein, um zu merken, dass man bereit ist für eine Beziehung, oder dass man sieht, dass man als Single zufrieden ist und fast dankbar ist, dass einem gerade niemand den Hof macht», sagt Psychotherapeut und Psychologe Theodor Itten, der in der neuen Podcast-Folge von «Gott und d'Welt» über Verzicht spricht.

Tagebuch schreiben und sich selbst die Hand an die Wange legen

Vor allem die körperliche Nähe leidet unter Social Distancing. Der Experte rät deshalb: «Wenn man mit seiner linken Hand seine rechte Wange streichelt, fühlt sich das an, als würde es eine fremde Person tun. Man kann auch mit sich selbst zärtlich sein, je nach dem, wie stark eine Person das zulassen kann.»

Ausserdem hilft einem das Führen eines Tagebuchs. «Man schreibt runter, was einen berührt. Tagebuch schreiben ist ein reinigender Prozess, wie eine Dusche am Morgen oder Abend», sagt Theodor Itten.

Die Zwangs-Quarantäne hat viele positive Aspekte

Auch wenn momentan viele darunter leiden, dass das gesellschaftliche Leben mehr oder weniger stillsteht, betont der Psychotherapeut vor allem die positiven Seiten der Krise. «Gerade im Moment haben wir plötzlich Zeit für Dinge, zu denen wir sonst nicht kommen, wie beispielsweise zu malen oder ein Instrument zu spielen.»

Die gesamte Gesellschaft wandle sich zum Guten. «Es ist schön, zu sehen, dass es eine neue Gemeinschaft gibt. Wir können eine neue Zeitrechnung machen, vor und nach Corona. Die Erfahrungen, die wir jetzt machen, sind Erfahrungen, die bleiben, und ich wünsche mir, dass wir das behalten.»

Ein Leben in freiwilliger Quarantäne

Eine Frau, die sich vor langer Zeit freiwillig in Quarantäne begeben und auf ein Leben in Freiheit verzichtet hat, ist die Heilige Wiborada. Im 10. Jahrhundert liess sie sich in der St.Mangenkirche beim Marktplatz St.Gallen einmauern und lebte zehn Jahre als sogenannte «Inklusin» in einer kleinen Zelle.

Von dort aus wurde sie zur weisen Ratgeberin für die ganze Stadt St.Gallen. Mehr über die «Patronin der Eingeschlossenen» könnt ihr im «Gott und d`Welt»-Podcast hören.

veröffentlicht: 25. April 2020 09:49
aktualisiert: 25. April 2020 09:49
Quelle: FM1Today

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