Amtsgeheimnis

Worüber dürfen Polizeiangehörige sprechen?

Marian Märki, 15. Dezember 2022, 11:05 Uhr
Wer bei der Polizei arbeitet, der untersteht dem Amtsgeheimnis. Dieses einzuhalten, ist allerdings nicht immer einfach. In St.Gallen wurde erst kürzlich ein Polizist verurteilt, weil er mit seiner Freundin Details teilte, welche nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen wären. Doch ab wann verletzt ein Polizist oder eine Polizistin das Amtsgeheimnis? Wir haben beim Experten nachgefragt.
Das Amtsgeheimnis gilt nicht nur gegen aussen, sondern auch gegenüber anderen Polizeiangehörigen.
© Keystone
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Anfangs Dezember wurde publik, dass ein St.Galler Stadtpolizist mittels Strafbefehl verurteilt wurde, weil er unter anderem mehrfach das Amtsgeheimnis verletzte. Der Polizist hat seiner Freundin Informationen mitgeteilt, die nicht an die Öffentlichkeit hätten gelangen sollen. So teilte er ihr beispielsweise mit, dass ein mutmasslicher Täter, der im Kanton einen Mord verübt haben soll, im Ausland weile und bei der Einreise festgenommen werde. In einem anderen Fall gab er ihr Informationen über einen Unfall in einem Haus in Kirchberg weiter. Er gab an, was passiert sei und wie alt das Opfer war. 

Doch was darf ein Polizist oder eine Polizistin mit den Angehörigen teilen, ohne eine Amtsgeheimnisverletzung zu begehen? Einer, der sich damit auskennt, ist Markus Mohler. Mohler kennt das Polizeirecht und auch den Polizeialltag. Er war von 1967 bis 1979 Staatsanwalt in Basel, danach bis 2001 Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt. Zudem unterrichtete der ausgebildete Jurist an den Universitäten Basel und St.Gallen.

Identität darf nicht erkenntlich sein

Im Gespräch mit FM1Today stellt Mohler den Sachverhalt als einfach dar: «Man darf nichts sagen, das Rückschlüsse auf die Identität der betroffenen Person – sei es Zeugen, Täter oder Opfer – zulässt.» Denn beim Amtsgeheimnis stehe der Persönlichkeitsschutz im Vordergrund. Und in der Schweiz werde das auf den Persönlichkeitsschutz bezogene Amtsgeheimnis sehr streng ausgelegt.

Das Amtsgeheimnis beginnt laut Markus Mohler aber nicht erst am eigenen Küchentisch, sondern bereits im Polizei-Pausenraum. Denn auch wenn die Polizistinnen und Polizisten dem Amtsgeheimnis unterstehen, dürfen solche Informationen nicht mit den Kollegen geteilt werden, wenn sie nichts mit dem Fall zu tun haben.

Doch was genau darf ein Polizist oder eine Polizistin nun sagen? «Grundsätzlich dürfen jene Informationen, welche beispielsweise von der Polizei via Medienmitteilung versandt werden, auch besprochen werden», führt der ehemalige Polizeikommandant aus. Zudem dürfe auch über Ereignisse gesprochen werden, sofern keine Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen möglich sind. Also darf eine Polizistin eines grossen Kantons zum Beispiel sagen, dass sie einen Einsatz hatte wegen häuslicher Gewalt, aber halt nicht in welchem Ort. So kann der Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden. «Natürlich ist es in der Stadt einfacher, die Anonymität zu wahren, als in einem 300-Seelendorf», führt Mohler weiter aus.

«Uff s'Muul hogge»

Wie in allen Fällen macht die Dosis das Gift. Hätte der besagte Polizist seiner Freundin beispielsweise nur die Unfallursache genannt und nicht das Alter des Opfers, das in einem kleinen Dorf wohnt, wäre es keine Verletzung des Amtsgeheimnisses, da dadurch keine Rückschlüsse auf die Identität gezogen werden können. Mohler erzählt dazu eine Anekdote aus seinem Berufsleben: «Meine Schwiegermutter hatte mir erzählt, dass sie eine sehr nette Person kennengelernt habe. Ich hatte aber ein Strafverfahren gegen eben diese Person geführt. Da musste ich zur Notlüge greifen.»

Laut Mohler müssen sich die Polizeiangehörigen öfters mal auf die Zunge beissen. Im Zweifelsfall – also wenn sie nicht wissen, ob sie etwas sagen dürfen – sollen die Polizistinnen und Polizisten lieber einmal mehr mit ihrem Vorgesetzen darüber sprechen, als einmal zu wenig. Ansonsten gelte die Devise «uff s'Muul hogge», so Mohler.

Quelle: FM1Today
veröffentlicht: 15. Dezember 2022 10:07
aktualisiert: 15. Dezember 2022 11:05
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