Arboner Doppelmord ist offiziell verjährt
Quelle: TVO
Der 4. Juli 1993 war ein warmer Sommertag in der Ostschweiz. Auch in Arbon am Bodensee. Leute haben sich im See erfrischt. Doch trotz des blauen Himmels zog ein heftiges Gewitter über die Thurgauer Gemeinde. Eine 79-jährige Grossmutter hat ihrer Tochter Martha Heunisch und der Enkelin Yvonne in einem Ferienhäuschen in Arbon einen Besuch abgestattet. Als sie ins Haus eintrifft, trifft sie fast der Schlag. Sowohl ihre Tochter als auch ihre Enkelin liegen gefesselt und erschossen in der Wohnung. Es ist eines der brutalsten Verbrechen, welches die Ostschweiz in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Wer hätte sowas machen können? Mit welchem Motiv?
Fragen über Fragen
Die Ermittlungen führen die Polizei an verschiedene Orte. In Romanshorn wird später das Auto von Yvonne Heunisch gefunden, in St.Gallen wurde Geld mit der Bankkarte von Martha abgehoben und in Winterthur sollen die beiden noch am Tag zuvor in einem Restaurant gesehen worden sein. Viele verschiedene Spuren, keine hat aber ans Ziel geführt.
«Es soll ein Milieu-Mord gewesen sein»
Werner Schoop war vor exakt 30 Jahren als Polizist am Tatort. Später wurde er Chefermittler der Thurgauer Kantonspolizei. Ihn hat der Fall nie losgelassen: «Jeder Tatort nimmt einen irgendwie mit. Den einen kann man besser ablegen als den andern. Hier war es tragisch, dass es ein Doppelmord war. Und besonders tragisch für mich ist, dass man es bis heute nicht aufklären konnte.» Aufgrund der vielen ungeklärten Fragen, haben auch schnell Gerüchte und Spekulationen begonnen.
Auch der damalige Stadtpräsident von Arbon, Christoph Tobler, kann sich noch an den Fall erinnern: «Bei solchen Angelegenheiten machen schnell Gerüchte die Runde. Der hat das gehört, der andere etwas anderes. So soll es ein Milieu-Mord gewesen sein, oder es sollen Auftragskiller gewesen sein. Auch über Geld und Erpressung wurde spekuliert. Wenn man es nicht aufklären kann, reimen sich die Leute etwas zusammen. Was von dem alles stimmt und was nicht, weiss man bis heute nicht.»
Die Tücken der Verjährung
Ab Dienstag fällt der Doppelmord für das Schweizer Recht und bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau in die Schublade der verjährten Delikte. Heisst: Es kann kein Strafverfahren und kein Urteil mehr in diesem Fall geben. Sogar, wenn die Täterin oder der Täter morgen alles gestehen würde. Fabain Mörtl, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Thurgau, erklärt: «Das ist richtig. Mit eintretender Verjährung ist eine Bestrafung des Täters rechtlich nicht mehr möglich. Immerhin weiss man dann aber, wer die Täterschaft ist. Und die Angehörigen haben Gewissheit, was damals passierte.
«Das kann es nicht sein»
Die Verjährung des Vorfalls beschäftigt auch immer wieder die Politik. Pascal Schmid war Vorsitzender des Bezirkgerichts Weinfelden. Dass die Täterschaft im Doppelmord von Arbon jetzt einfach so davonkommt, ist für ihn vor allem: «Unverständlich. Ich bin klar der Meinung, dass Tötungsdelikte nicht mehr verjähren sollten. Die Nachweisbarkeit ist eine andere Frage. Da haben wir heute ganz andere Möglichkeiten. Natürlich ist es nicht einfach, wenn nach 50 Jahren ein Täter aufgespürt und verurteilt wird. Das müsste man berücksichtigen. Aber dass jemand straflos für eine Tötung davonkommt, kann aus meiner Sicht moralisch und ethisch nicht sein.»
Akten werden nicht vernichtet
Abschliessend ist sich Werner Schoop sicher: «Wir haben damals alles gemacht, was möglich war. Wir haben viele Leute befragt. Wir haben von vielen Leuten die Fingerabdrücke genommen, denn wir hatten welche gefunden. Aber leider war die Person, welche wir gesucht haben, nirgends registriert.»
Das Schicksal von Martha und Yvonne Heunisch könnte für immer ungelöst bleiben. Solange sich der Täter oder die Täterin nicht von sich aus meldet. Immerhin: Anders als beim Kristallhöhlenmord sollen die Akten und das Beweismaterial für den Doppelmord in Arbon nicht vernichtet werden.