Fall Hefenhofen

Der erste Prozesstag im Überblick

02.03.2023, 08:11 Uhr
· Online seit 01.03.2023, 19:17 Uhr
Am Bezirksgericht Arbon hat am Mittwoch der Prozess im «Fall Hefenhofen» begonnen. Am ersten Prozesstag ging es um den illegalen Handel mit sogenannten Kümmerern, gesundheitlich beeinträchtigten Ferkeln. Damit sollen sich der hauptbeschuldigte Ulrich K. sowie zwei Metzger bereichert haben.

Quelle: TVO

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Der Schweinehandel ist ein Nebenschauplatz im Prozess im «Fall Hefenhofen». Anfang August 2017 war der Hof zwangsweise geräumt worden. Im Zuge der Untersuchungen flog der illegale Handel des Bauern mit den beiden Metzgern – Vater und Sohn – auf.

Dieser Nebenschauplatz wurde am ersten Verhandlungstag behandelt. Das Interesse am Prozess war dennoch bereits gross. Neben zahlreichen Medienschaffenden warteten auch Schaulustige, Demonstrierende und ein Polizeiaufgebot vor dem Bezirksgericht.

Als dann der Hauptangeklagte Ulrich K. mit seinem Anwalt eintraf, wurde er gleich von Journalisten und Kameras umringt. Sein Statement: «Kein Kommentar.» Diesem blieb er treu und verweigerte auch vor Gericht am Mittwoch jegliche Aussage.

«Profitmaximierung mit Tierleid»

Laut Staatsanwalt haben alle drei Beteiligten «mit dem Leid der Kümmererschweine ihren Profit maximiert». Dabei hätten sie wohlweislich jegliche Spuren vermieden. Dokumente zu den allermeisten Tieren seien verschwunden, Zahlungen seien bar auf die Hand erfolgt. Der Handel mit den Ferkeln sei bewusst und gezielt an Tierarzt und Fleischschauer vorbeigeschleust worden.

Der Ankläger forderte die Verurteilung aller drei Beschuldigten wegen Tierquälerei und weiterer Delikte. Die beiden Metzger sollten mit bedingten Freiheitsstrafen von zwölf beziehungsweise neun Monaten bestraft werden. Der Antrag gegen den Hauptbeschuldigten folgt am Freitag, wenn es um die Hauptanklagepunkte geht.

Während des Plädoyers der Staatsanwaltschaft hören die Angeklagten zwar zu, würdigen den Staatsanwalt aber keines Blickes. Ulrich K. blickt ins Leere und schweigt, fährt sich ab und zu durch den Bart. Er wirkt eher desinteressiert.

Der Metzgersvater hat die Arme verschränkt und schüttelt immer wieder den Kopf, wenn die Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen ihn vorträgt. Lediglich der Metzgerssohn lässt seinen Blick immer mal wieder zum Staatsanwalt schweifen. Er wirkt im Gegensatz zu den anderen eher nervös und angespannt.

Verteidigerin gibt «Crash-Kurs» über Schweinezucht

Die Verteidigerin des älteren Metzgers erteilte dem Gericht am Nachmittag während ihres Plädoyers einen «Crash-Kurs» über Schweinezucht, wie sie sagte. Es gebe nun einmal Ferkel, die schon bei der Geburt kleiner seien, als die anderen, einen Nabelbruch, einen Hodenhochstand oder andere Defizite hätten. Diese «Kümmerer» hätten schlechte Startchancen.

Sie seien an sich gesund, verursachen aber Mehraufwand. Eine Mast lohne sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht. Auch Schlacht-Grossbetriebe seien nicht interessiert. Solche Tiere, die nicht der Norm entsprächen, würden üblicherweise «entsorgt».

Anders gehandelt habe ihr Mandant mit seinen kleineren Betrieben. Er habe jeweils von Anlieferern für wenig Geld «Kümmerer» übernommen und sie etwa zu Spanferkeln verarbeitet.

Rund 150 Tiere

Ulrich K. habe er schon früher hin und wieder ein Spanferkel verkauft. Als der Bauer 2016 aufgrund einer behördlich erlassenen Milchsperre über zu viel Milch verfügte, und er selbst angeblich zu viele Spanferkel im Tiefkühler hatte, verkaufte er ihm mehr solche Ferkel.

Bis August 2017 waren es total rund 150 Tiere. Unter anderem mit der überschüssigen Milch mästete der Bauer sie auf ein vertretbares Schlachtgewicht und verkaufte sie dann dem Metzger zurück, der das Fleisch in den Handel brachte. Keines der Tiere sei ohne Kontrolle auf den Markt gelangt, sagte die Verteidigerin.

Gegen Schlachtverordnung verstossen

Es sei unbestritten, dass ihr Mandant gegen die Schlachtverordnung verstossen habe, wonach einmal abgeladene Tiere nicht mehr weitertransportiert werden dürfen, sondern im jeweiligen Schlachtbetrieb getötet werden müssen. Von Tierquälerei sowie Widerhandlungen gegen das Tierseuchengesetz oder das Bundesgesetz über Lebensmittel, könne aber keine Rede sein.

Bei der Hofräumung waren etwa 80 Tiere vor Ort, sagte die Verteidigerin. Zwei wurden eingeschläfert, 33 geschlachtet, die übrigen zur Weitermast gebracht. Alle seien gesund gewesen.

Auch die Verteidiger des jüngeren Metzgers und des hauptbeschuldigten Landwirts verlangten Freisprüche ihrer Mandanten. Den Ferkeln sei es auf dem Hof des Landwirts «gut gegangen», sagte dessen Anwalt. Beweise für das Gegenteil habe der Ankläger keine vorgelegt.

Nachhaltiges Handeln und Verschwörungstheorien

Bei den Plädoyers der Verteidiger am Nachmittag zogen sich mehrere rote Fäden hindurch. Neben den geforderten Freisprüchen für ihre Mandanten wurde in sämtlichen Plädoyers die Nachhaltigkeit und Ökologie ins Feld geführt. Es sei doch besser, die Milch nicht wegzuwerfen und die Tiere auf einem Hof leben zu lassen. Schliesslich seien die Tiere – auch hier herrscht Einigkeit – alle immer ungefährlich für den Verzehr gewesen. Dies würden Schlachtprotokolle, welche nach der Hofräumung erstellt wurden, belegen.

Der Verteidiger von Ulrich K. sprach zudem von einer «Verschwörungstheorie». Die Staatsanwaltschaft versuche anhand zweier Aussagen seines Mandanten und des älteren Metzgers ihre monströse Anklage des illegalen Fleischhandels zu konstruieren.

Die Verhandlung geht am Donnerstag weiter. Dann geht es um Beiseiteschaffen von beschlagnahmten Tieren. Beschuldigt sind ausser Ulrich K. zwei Frauen. Um die beanstandeten Zustände auf dem Hof geht es am Freitag. Die Urteile werden voraussichtlich am 21. März eröffnet. FM1Today berichtet an diesen Tagen aus Arbon. Zum Ticker geht es hier.

(sda/mma)

veröffentlicht: 1. März 2023 19:17
aktualisiert: 2. März 2023 08:11
Quelle: sda

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