Kradolf

Neues Durchgangsheim für Flüchtende – Gemeinderat «nicht begeistert»

· Online seit 02.06.2023, 20:30 Uhr
80 zusätzliche Asylsuchende leben bald in Kradolf. Dieser Entscheid kam für den Gemeinderat überraschend und kurzfristig – und die Begeisterung hält sich in Grenzen. Die Peregrina-Stiftung sieht es jedoch als Chance.
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«Wir sind nicht unbedingt begeistert vom neuen Durchgangsheim. Damit kommen grosse Herausforderungen auf Kradolf zu. Da wir den Entscheid so kurzfristig mitbekommen haben, konnten wir uns nicht wirklich darauf vorbereiten», sagt Heinz Keller, Gemeindepräsident von Kradolf-Schönenberg.

Keller fühlt sich etwas vor den Kopf gestossen – es habe klar an Kommunikation gefehlt. «Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist wichtig, dieser Grundstein wurde jedoch nicht gelegt. Ich hätte mir gewünscht, dass der Kanton die Gemeinde früher mit ins Boot geholt hätte.»

Erste Bewohnende kommen Mitte Juni

Bereits Mitte Juni sollen die ersten Asylsuchenden ins neue Durchgangsheim in Kradolf einziehen, berichtet die «Thurgauer Zeitung». Dabei handelt es sich laut Peregrina-Stiftung, welche die Liegenschaft seit Anfang Juni mietet, um anerkannte Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene und Personen in einem laufenden Verfahren. Es können Familien sein, aber auch Einzelpersonen. Bis zu 80 Personen können im ehemaligen Pflegeheim unterkommen.

Ganze Bandbreite an Rückmeldungen

Die Stimmen, die Keller aus der Bevölkerung erhält, könnten nicht verschiedener sein. «Einige sehen es als riesige Chance, zu helfen. Andere lehnen das Durchgangsheim extrem ab und fordern die Gemeinde auf, einen Riegel zu schieben», sagt Keller. Verhindern könne es die Gemeinde jedoch nicht.

«Wir haben keine Angst»

Die Kosten werden von der Stiftung übernommen, für die Gemeinde gibt es aber andere Herausforderungen. «Insbesondere die Schulen werden immens gefordert, da das Personal schon ohne die zusätzlichen Flüchtenden am Anschlag ist», sagt Keller. Es sei eine grosse Aufgabe, die es zu lösen gebe.

«In Kradolf leben rund 1400 Menschen. Jetzt 80 neue Leute ins Dorfleben zu integrieren, ist nicht einfach. Wir möchten die Sache jedoch neutral angehen und die Menschen so nehmen, wie sie sind. Auch sicherheitstechisch müssen wir uns etwas überlegen. Eine Idee ist beispielsweise mehr Präsenz an öffentlichen Plätzen. Angst haben wir jedoch keine.»

«Auch Asylsuchende wollen gut mit anderen auskommen»

Die Peregrina-Stiftung relativiert die Sicherheitsbedenken. «Diese bestätigen sich unserer Erfahrung nach nicht. Asylsuchenden sind Menschen, welche wie alle anderen auch das Bedürfnis nach einem guten Auskommen mit den Mitmenschen haben. Einzelfälle gibt es aber immer», sagt Beat Keller, Leiter Betreuung bei der Peregrina-Stiftung. Die grösste Herausforderung dürfte es auch laut ihm in den Schulen geben.

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«Bewohnende von Durchgangsheimen haben in der Regel eine gute Aussicht auf einen Verbleib in der Schweiz. Folglich sind sie motiviert, sich hier zu integrieren und die Sache gut zu machen», so Keller. Die Bewohnenden seien auch eine Chance für Kradolf, denn sie bringen «die grosse Welt» ins Dorf. Die Asylsuchenden ihrerseits profitieren von einer intakten Gesellschaft und verschiedenen Integrationsangeboten.

veröffentlicht: 2. Juni 2023 20:30
aktualisiert: 2. Juni 2023 20:30
Quelle: FM1Today

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