Thurgau

Obergericht bestätigt den Schuldspruch gegen den Frauenfelder Ex-Stadtschreiber

25.08.2023, 13:51 Uhr
· Online seit 02.06.2022, 14:27 Uhr
Das Thurgauer Obergericht spricht den ehemaligen Frauenfelder Stadtschreiber Ralph Limoncelli der Wahlfälschung schuldig. Die Strafe beträgt 12 Monate bedingt. Gestrichen wird eine zusätzliche Busse von 3000 Franken, die das Bezirksgericht verhängt hatte. Das Obergericht bezeichnet deshalb die Berufung als teilweise begründet.
Thomas Wunderlin/Tagblatt
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Das Obergericht bestätigt das Urteil des Bezirksgerichts Frauenfeld vom 7.Juli 2021, wie das «Tagblatt» schreibt. Der heute 51-jährige ehemalige Frauenfelder Stadtschreiber Ralph Limoncelli hat nach Überzeugung der Gerichte die fehlerhafte Auszählung der Grossratswahlen vom 15. März 2020 im Frauenfelder Wahlbüro vertuscht. Das Obergericht gab sein Urteil am Mittwoch um 14 Uhr mündlich bekannt.

200 unveränderte Wahlzettel der GLP waren fälschlicherweise der SVP zugerechnet worden. Dadurch wäre ein Sitz der SVP auf Kosten der GLP zugefallen. Limoncelli bestreitet den Vorwurf. Das Bezirksgericht hatte nach seiner Meinung den Sachverhalt einseitig zu seinen Lasten ausgelegt.

Das Obergericht bestraft Limoncelli wegen qualifizierter Wahlfälschung mit einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt erlassen auf eine Probezeit von zwei Jahren. Das Bezirksgericht hatte Limoncelli eine zusätzliche Busse von 3000 Franken auferlegt. Diese wird vom Obergericht gestrichen. In ihrer kurzen mündlichen Begründung des Urteils erwähnte Obergerichtspräsidentin Anna Katharina Glauser Jung die bereits relativ hohen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von über 14'000 Franken, die vom Berufungskläger zu tragen sind.

Eine Wahlmanipulation fand statt

Sie bestätigte die Indizienkette, die Generalstaatsanwalt Stefan Haffter in der Anklage dargelegt hatte. Diese beginnt mit der Frage, ob überhaupt eine Wahlmanipulation stattgefunden hat. Das Obergericht bejaht diese. Dafür spricht, dass beim Verhältnis der unveränderten zu den veränderten Wahlzetteln der GLP eine grosse Diskrepanz zu andern Wahlen besteht.

Eher für die Anklage spricht auch die sogenannte Falztheorie; damit sind die 86 nicht oder kaum gefalteten unveränderten SVP-Wahlzettel gemeint, die offensichtlich nachträglich in die Wahlunterlagen eingefügt worden sind. Laut Obergericht waren im Rathaus Frauenfeld auch genügend Reserve-Wahlunterlagen vorhanden, bei denen sich ein Täter mit diesen SVP-Wahlzetteln bedienen konnte.

Für die Wahlmanipulation sprechen ferner die Laufzettel, auf denen die Zweierteams des Wahlbüros das Ergebnis der Zählung notierten. Die Diskrepanz des Wahlergebnisses gemäss Laufzetteln zu den noch vorhandenen Laufzetteln lässt sich nur dadurch erklären, dass zwei zusätzliche Bunde zu 100 Wahlzetteln dazu gelegt wurden, wie Glauser Jung sagte.

Nach Darstellung von Limoncellis Anwalt Peter Stieger war nur ein Bund falsch abgelegt worden. Diesen hatte Limoncelli am Dienstag, 17. März 2020, an die Staatskanzlei gemeldet.

Der Täter kann nur der ehemalige Stadtschreiber sein

Wenn die Wahlmanipulation bejaht wird, stellt sich die Frage nach dem Täter. Das konnte nur jemand sein, der Zugang zum Rathaus und den entsprechenden Räumen hatte, in denen das Wahlmaterial lagerte.

Der Stadtschreiber meldete am Dienstag an die Staatskanzlei 100 falsch abgelegte GLP-Wahlzettel. Wenn eine Drittperson die Manipulation begangen hätte, hätte sie laut Glauser Jung bis Dienstagvormittag einen Bund GLP-Wahlzettel durch SVP-Wahlzettel ersetzen müssen. Das ist nach Ansicht des Obergerichts auszuschliessen.

Limoncelli habe ein Motiv dafür gehabt, sagte die Obergerichtspräsidentin: «Das Gericht hat keine unüberwindbaren Zweifel, dass er die Manipulation begangen hat.»

Er habe den Fehler des Wahlbüros vertuschen und sein Gesicht wahren wollen. Bei der Aufdeckung von 100 falsch abgelegten GLP-Wahlzetteln gab es noch keine Sitzverschiebung. Limoncelli habe aber damit rechnen müssen, dass dies bei 200 der Fall sein würde.

Sein Verschulden liege im unteren bis mittleren Bereich. Der ehemalige Frauenfelder Stadtschreiber habe den Willen des Stimmvolks missachtet und das Vertrauen in die demokratischen Wahlen geschwächt.

Limoncelli nahm gegenüber den Medien keine Stellung

Er sei «selbstverständlich enttäuscht» vom Urteil des Obergerichts, sagte sein Anwalt Peter Stieger. Die Verteidigung habe eine Reihe von Argumenten gebracht, die gegen die Indizienkette der Anklage sprächen: «Davon haben wir in der mündlichen Urteilsbegründung nichts gehört.»

Ob er und sein Mandant eine Beschwerde beim Bundesgericht einreichen werden, könne er deshalb noch nicht sagen. Zunächst wollten sie das schriftliche Urteil abwarten.

Generalstaatsanwalt Stefan Haffter zeigte sich erfreut über den Schuldspruch des Obergerichts. Dass das Obergericht die Busse nicht bestätigt habe, die das Bezirksgericht ausgesprochen hatte, spiele keine Rolle. Er stellte in Abrede, dass sich die Staatsanwaltschaft von politischem Druck habe einschüchtern lassen.

Das Bezirksgericht hatte Haffters ursprünglichen Antrag auf 15 Monate um drei Monate gekürzt. Auch dagegen hatte Haffter keinen Einwand, wie er in der Obergerichtsverhandlung am Mittwoch gesagt hatte: «Strafzumessung ist bekanntlich keine exakte Wissenschaft.»

veröffentlicht: 2. Juni 2022 14:27
aktualisiert: 25. August 2023 13:51
Quelle: FM1Today

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