Öffentlichkeitsgesetz: Der Thurgau schliesst 2022 die Lücke
Bern war der Pionierkanton: 1995 wurde dort schweizweit erstmals das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt; elf Jahre bevor der Bund das Öffentlichkeitsgesetz in Kraft setzte. Ein Jahr später folgte Appenzell Ausserrhoden.
Nach St. Gallen (2014), Graubünden (2016) und Appenzell Innerrhoden (2020) tritt in einem Jahr nun auch im Kanton Thurgau das Öffentlichkeitsprinzip in Kraft. Noch nicht soweit sind die Kantone Obwalden, Nidwalden und Luzern.
Im Mai 2019 nahmen die Thurgauer Stimmberechtigten die Volksinitiative «Offenheit statt Geheimhaltung/Für transparente Behörden im Thurgau» mit einem Ja-Anteil von 80,2 Prozent an. Gemäss dem Willen der Stimmbürger soll ab 2022 der Wechsel vom Grundsatz der Geheimhaltung mit Öffentlichkeitsvorbehalt zum Grundsatz der Öffentlichkeit mit Geheimhaltungsvorbehalt erfolgen, wie die Thurgauer Staatskanzlei am Freitag mitteilte.
Zugang mit Einschränkungen
Das Gesetz bezweckt, das Handeln der öffentlichen Organe transparent zu gestalten. Neu müssen der Kanton sowie die politischen Gemeinden und Schulgemeinden Einsicht in amtliche Akten gewähren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Es soll auch für die richterlichen Behörden gelten, soweit diese administrative Aufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit einer Aufsichtstätigkeit erfüllen.
Das Gesetz gilt nicht für die Thurgauer Kantonalbank, die EKT Holding AG und die Thurmed AG, einschliesslich deren Tochtergesellschaften sowie die öffentlichen Organe, soweit sie am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen und dabei keine staatlichen Aufgaben erfüllen, wie es in Artikel 2 Absatz 3 des Entwurfs heisst.
Gemäss Kantonsverfassung gilt das Öffentlichkeitsprinzip nach Annahme der Verfassungsbestimmung durch das Volk; das heisst, das Gesetz findet rückwirkend Anwendung auf die Einsicht in amtliche Akten, die seit dem 20. Mai 2019 durch die öffentlichen Organe erstellt wurden.
Vorbilder St. Gallen und Graubünden
Die Ausarbeitung und Redaktion des Entwurfs stützt sich mehrheitlich auf das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung und die Gesetze der Kantone Zug, St. Gallen, Graubünden, Solothurn und Zürich, wie es in der Mitteilung weiter heisst. Eine Verordnung ist nicht vorgesehen.
Die Einsicht in amtliche Akten als erweitertes Grundrecht der Informationsfreiheit soll grundsätzlich kostenlos erfolgen. Einzig bei einem erheblichen Aufwand soll eine angemessene Verfahrensgebühr erhoben werden können.
Die Vernehmlassung dauert bis am 12. März 2021. Eingeladen sind Parteien, Gemeinden, Schulgemeinden, Justiz, Verbände, Unternehmen sowie diverse weitere Stellen.