Plastik-Bianca reist durch den Apfelkanton

15.05.2019, 16:55 Uhr
· Online seit 15.05.2019, 16:44 Uhr
Zehn Tage lang reiste «Bianca» durch den Thurgau, machte Selfies und einen Livestream und warb so für den Kanton. «Bianca» ist jedoch nicht etwa eine junge Influencerin im Dienste der Thurgauer Tourismusbehörde, sondern eine leblose Puppe.
Marc Sieger
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Eine junge Frau sitzt auf einer Bank und blickt auf den See hinaus. Nichts Aussergewöhnliches an den Thurgauer Ufern des Bodensees. Umso irritierender ist der Anblick, wenn man die Szenerie um 180 Grad kehrt und die junge Frau von vorne betrachtet. Starrer Blick, Kunsthaar und ein lebloses Gesicht - auf der Bank sitzt eine Puppe.

«Bianca», wie die junge Frau aus Plastik heisst, ist das neuste Aushängeschild des Kantons Thurgau. Die vergangenen zehn Tage wurde sie von Mitarbeitern von Thurgau-Bodensee-Tourismus kreuz und quer durch den Thurgau chauffiert. Eine Kamera, die in einem von «Biancas» Augen montiert war, filmte alles, was die Puppe «sah» und übertrug es live auf die Website von Thurgau Tourismus. Dort konnten Besucher Tipps abgeben, wo sich Bianca gerade befindet und Preise gewinnen.

«Wir wollten auf eine andere Art und Weise auf den Thurgau aufmerksam machen», erklärt Rolf Müller, Geschäftsführer von Thurgau Tourismus, die Idee hinter der Reise der Puppe. «Anders» ist «Bianca» allemal. Irritierend, erschreckend oder gar verstörend trifft es aber schon eher. Auffallend dabei ist vor allem «Biancas» Gesichtsausdruck: aufgerissene Augen, verwundert hochgezogene Augenbrauen und weit geöffneter Mund. Das Magazin «Vice» warf die Frage auf, ob Thurgau Tourismus eine Sexpuppe zweckentfremdet habe. Dies wird bei Thurgau Tourismus verneint. «Bianca» stamme aus der Medizintechnik, daher der geöffnete Mund. «Wir interpretieren das aber eher so, als ob sie staunend durch den Thurgau reist», heisst es bei Thurgau Tourismus.

«Bianca» irritiert, scheint aber anzukommen

Gestaunt hätten dann auch die Leute, welche die Puppe auf ihrer zehntägigen Rundfahrt durch den Thurgau angetroffen haben. «Bianca» habe aber viele Freunde gefunden, heisst es bei Thurgau Tourismus. Die Fotogalerie auf der Website der Organisation soll davon zeugen. Lachende junge Leute an Festen und Messen, Menschen beim Herumalbern und viele zufriedene Gesichter sind zu sehen – und mittendrin «Bianca», wie sie mit offenem Mund und starren Augen in die Kamera grinst.

3000 Wettbewerbsteilnehmer und 200 Stunden Stream

Auch wenn die Puppe – die mit ihrem bis zum Plastikhals zugeknöpftem Hemd, passend zum Thurgau, wie ein Freikirchenmitglied aussieht – zu irritieren vermag, die Aktion scheint funktioniert zu haben. Thurgau-Tourismus-Geschäftsführer Rolf Müller ist zufrieden. Über 3000 Teilnehmer hätten am Wettbewerb teilgenommen. Die Besucher auf der Website hätten den Livestream während insgesamt 200 Stunden angeschaut.

Der Wettbewerb ist mittlerweile zu Ende und «Bianca» von ihrer Reise zurückgekehrt. Hin und wieder solle sie sich aber auch künftig unters Volk mischen, teilt Thurgau Tourismus mit. Dann wird Plastik-Bianca wohl abgestaubt, in ein neues Freikirchenhemd gesteckt, und sorgt im Thurgau für neue Irritationen.

veröffentlicht: 15. Mai 2019 16:44
aktualisiert: 15. Mai 2019 16:55
Quelle: mas

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