Diessenhofen

Tauchlehrer schuldig gesprochen: Taucherin starb bei Kollision mit Kursschiff

08.02.2022, 10:38 Uhr
· Online seit 07.02.2022, 18:46 Uhr
Bei einem Tauchunfall starb letztes Jahr an Ostern eine 29-jährige Frau. Nun stand der 41-jährige Mann, der den Tauchgang organisiert hatte, vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Fahrlässige Tötung vor und verlangte eine bedingte Freiheitsstrafe.

Quelle: tvo

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Unruhig sitzt der Beschuldigte auf seinem Stuhl und dreht beständig am Ring an seiner linken Hand. Der tödliche Unfall vom Ostersonntag beschäftige ihn noch immer sehr, gibt er am Anfang der Verhandlung auf Anfrage des vorsitzenden Richters an. Er habe auch heute noch Probleme und bekomme Angst, wenn er in er einer Situation nicht alles kontrollieren könne. Um Sorgfalt und Kontrolle drehte sich heute auch der Prozess am Frauenfelder Bezirksgericht.

Von der Schiffsschraube getötet

Der Beschuldigte, Inhaber und Geschäftsführer einer Tauchschule, berichtet mal gefasst, mal mit stockender Stimme vom Tag des Unglücks im Jahr 2021. Er habe im Vorfeld des Tauchgangs bei der Schifffahrtsgesellschaft abgeklärt, ob am fraglichen Datum Kursschiffe auf dem Rhein bei Diessenhofen fahren würden. Dazu habe er mehrere Mails geschrieben. Am Tag des Tauchgangs habe er die Tauchgruppe eingewiesen und vor verschiedenen Gefahren gewarnt, etwa auch vor privaten Booten, die im Rhein vor Diessenhofen unterwegs sein können.

Schlussendlich teilt er die Gruppe auf, jene mit mehr Erfahrung gingen mit der 29-jährigen Kollegin des 41-Jährigen mit. Für die Hobbytaucherin ist es die letzte Unternehmung. Als sie mit ihren Begleitern im Rhein unterwegs war, legte sich auf einmal ein Schatten über die Gruppe, ein gewaltiges Dröhnen. Verwirrung bricht aus, die Gruppe kann sich laut der Staatsanwaltschaft in letzter Sekunde in Sicherheit bringen.

Nur die 29-jährige Frau bewegte sich nicht mehr. Sie geriet in die Schiffsschraube des Kursschiffs und wurde getötet. Ein Kursschiff, mit dem niemand gerechnet hat.

Mehrfache Verletzung der Sorgfaltspflicht

Für den Staatsanwalt ist klar, dass die Schuld für den Tod der 29-Jährigen einzig und allein beim Tauchlehrer liegt. Es sei sogar grosses Glück, dass es nicht zu mehreren Todesfällen gekommen sei. Das aus mehreren Gründen.

Zum einen habe er während des Mailverkehrs mit der Schifffahrtsgesellschaft nicht erkannt, dass die Angestellte des Unternehmens ihn offensichtlich falsch verstanden hatte. Diese bestätigte für den Ostermontag und nicht für den Ostersonntag, dass zur fraglichen Zeit kein Kursschiff fahren würde.

Dazu unterliess er es, beim Ein- und Ausstiegspunkt die für Tauchgänge notwendigen Flaggen zu setzen, um Schiffe auf die Taucher aufmerksam zu machen. Darüber hinaus hätte er an dieser Stelle gar keinen Tauchgang abhalten dürfen, da die Bewilligung des Tauchlehrers nur für den Kanton Schaffhausen galt. Der Staatsanwalt anerkennt, dass keinerlei böse Absicht beim 41-Jährigen vorhanden gewesen sei, es handle sich um eine klassische Sorgfaltsverletzung.

Verteidigung: Waren gut befreundet

Der Verteidiger des Angeklagten gibt der Anklage in vielen Punkten recht, fordert dennoch einen Freispruch für seinen Mandaten. Ja, es sei richtig, dass er die Flaggen nicht gesteckt habe, doch habe das mit dem Tod der Frau nichts zu tun. Denn der Schiffsführer hätte laut Befragung gar nicht gewusst, wie er diese einzuordnen hätte und er wäre auch so weitergefahren. Dazu seien Taucherflaggen, obwohl vorgeschrieben, im See nützlicher als im Fluss.

Dieselbe Stossrichtung bei der Bewilligung: Dem Tauchlehrer sei nicht bewusst gewesen, dass seine Bewilligung nur für den Kanton Schaffhausen gelte und nicht für den Thurgau. Diese einzuholen wäre aber nur Formsache gewesen und die Auflagen dabei sicher nicht höher, wie bei jener, die er schon hatte.

Am längsten geht es um den Mailverkehr. Die Verteidigung zeigt sich erstaunt, dass kein Verfahren gegen die Mitarbeiterin der Schifffahrtsgesellschaft eingeleitet worden sei, da sie ja schliesslich die falsche Auskunft erteilt und dies auch zugegeben habe. Im Gegenteil, der Tauchlehrer habe grosse Sorgfalt gezeigt und extra nochmals nachgefragt.

Dass es trotzdem zum Todesfall gekommen sei, sei eine Tragödie, dafür verantwortlich aber nicht der 41-Jährige, der gut mit der jungen Frau und ihrem Partner befreundet gewesen sei. Sie hätten einander beispielsweise oft zum Essen eingeladen. Sein Mandat sei auch bereit, einen Schuldspruch zu akzeptieren, sofern das Gericht die Punkte dafür erfüllt sehe.

«Es tut mir leid»

Auch während der Verhandlung dreht der Beschuldigte unentwegt an seinem Ring. Vor der Verurteilung nutzt er die Gelegenheit, um etwas zu sagen und spricht den anwesenden Familienmitgliedern sein Bedauern aus. Er sei der Erste, der es rückgängig machen würde, doch das gehe nun mal nicht. «Es tut mir leid», sagt er, «Entschuldigung».

Schuldig, keine Freiheitsstrafe

Die Urteilsverkündigung erfolgt mündlich. «Das Gericht sieht den Tatbestand der fahrlässigen Tötung als erfüllt an», sagt der vorsitzende Richter. Dabei stünden weniger die nicht gesteckten Flaggen und die fehlende Bewilligung im Zentrum, sondern der Mailverkehr.

Der Tauchlehrer habe ja bemerkt, dass etwas nicht stimme. Trotzdem habe er es unterlassen, noch einmal genauer nachzufragen. Zu wenig, wenn man die Verantwortung für 12 Menschen trage, so die Richter – und hier habe der 41-Jährige seine Sorgfaltspflicht verletzt.

Bei der Gewichtung jedoch folgt das Gericht nicht der Staatsanwaltschaft. «Wir gehen von einem eher leichten Verschulden aus», sagt der Richter. Das bedeutet: Keine bedingte Freiheitsstrafe wie gefordert, sondern eine Busse von 1000 Franken und eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 80 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

(thc)

veröffentlicht: 7. Februar 2022 18:46
aktualisiert: 8. Februar 2022 10:38
Quelle: FM1Today

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