Bundesgericht

Thurgau braucht Gesetz für automatische Verkehrsüberwachung

23.10.2019, 12:09 Uhr
· Online seit 23.10.2019, 12:05 Uhr
Im Kanton Thurgau ist die gesetzliche Grundlage für den Einsatz einer automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) unzureichend. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Es hat die Beschwerde eines Mannes gutgeheissen, der ohne Führerausweis Auto fuhr.
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Der Führerausweis war dem Autolenker auf unbestimmte Zeit entzogen worden. Die Auswertung der AFV zeigte jedoch, dass er zwischen Oktober und Dezember 2016 drei mal einen Wagen gelenkt hatte. Dies geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor.

Das Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte den Mann im Juni 2018 wegen mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung und wegen weiterer Delikte zu einer bedingten Geldstrafe. Den Schuldspruch bezüglich Fahrens ohne Berechtigung focht der Betroffene vor Bundesgericht an und bekam nun Recht. Die Lausanner Richter haben das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und zurückgewiesen.

Das Bundesgericht hält in seinen Erwägungen fest, das Thurgauer Polizeigesetz sei zu wenig klar, um als Grundlage für die AFV dienen zu können. Für die Strassenverkehrsteilnehmer sei wegen der vagen Bestimmung nicht vorhersehbar, welche Informationen gesammelt, aufbewahrt und mit anderen Datenbanken abgeglichen würden. Zudem sei die Aufbewahrung und Vernichtung der Daten nicht ausreichend geregelt.

Kamera erfasst Kontrollschild

Bei der AFV wird das Kontrollschild mit einer Kamera erfasst. Damit wird die Identität des Fahrzeug-Halters ermittelt. Gespeichert werden auch Zeitpunkt, Standort, Fahrtrichtung und Fahrzeuginsassen. Diese Daten werden anschliessend mit anderen Datenbanken automatisch abgeglichen.

Aus den so erhobenen Daten lassen sich gemäss Bundesgericht Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen. Sie könnten zu einem Gefühl der Überwachung führen. Die AFV stelle somit einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar, die in der Bundesverfassung garantiert werde.

Eingriffe in Grundrechte seien nur unter bestimmten Bedingungen zulässig, hält das Bundesgericht fest. So müsse unter anderem eine formelle und klare gesetzliche Grundlage dafür bestehen, was im konkreten Fall nicht gegeben sei.

Das Bundesgericht verneint auch die Frage, ob der rechtswidrig erlangte Beweis gegen den Fahrzeuglenker verwertet werden darf. Die Verwertung richte sich nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung. Diese sehe vor, dass rechtswidrig erhobene Beweise nur für die Aufklärung schwerer Straftaten verwendet werden dürften. Dies sei vorliegend nicht der Fall. (Urteil 6B_908/2018 vom 07.10.2019)

veröffentlicht: 23. Oktober 2019 12:05
aktualisiert: 23. Oktober 2019 12:09
Quelle: sda

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