Wahlfälschung

Thurgau will keine gesetzlichen Grundlagen für einen «Ausnahmefall»

· Online seit 23.11.2021, 15:18 Uhr
Die Thurgauer Staatskanzlei geht davon aus, dass die Wahlfälschung in der Stadt Frauenfeld bei den Grossratswahlen vom März 2020 ein Ausnahmefall war. Ein Bericht listet zahlreiche Mängel im Wahlbüro von Frauenfeld auf.
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Der frühere Stadtschreiber von Frauenfeld, Ralph Limoncelli, wurde am 7. Juli 2021 vom Bezirksgericht Frauenfeld der Wahlfälschung schuldig gesprochen. Er soll bei den Thurgauer Grossratswahlen im März 2020 Wahlzettel manipuliert und dadurch das Ergebnis verfälscht haben. Limoncelli bestreitet die Vorwürfe und hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Er soll nach dem Wahlsonntag aus Reserve-Wahlcouverts mindestens 86 unveränderte SVP-Wahllisten herausgetrennt und unter die ausgezählten Wahlzettel gemischt haben. Ausserdem soll er einen Stapel von 100 unveränderten GLP-Wahlzetteln, die falsch abgelegt worden waren, vernichtet haben. Dadurch gewann die SVP im Bezirk Frauenfeld einen zusätzlichen Sitz auf Kosten der Grünliberalen (GLP).

Wahlbetrug korrigiert

Der Grosse Rat korrigierte am 1. Juli 2021 den Wahlbetrug und sprach den Sitz der GLP zu. Einen Monat später reichten Vertreter aller Parteien eine Motion für «Mehr Sicherheit bei Wahlen und Abstimmungen» ein. Der Regierungsrat sollte beauftragen werden, das Gesetz über das Stimm- und Wahlrecht so anzupassen, damit bei Wahlen und Abstimmungen das Risiko von Fehlern und Manipulationen minimiert werde.

Die Staatskanzlei nehme bereits heute Plausibilisierungen vor und baue diese aus, heisst es in der Antwort des Regierungsrates auf den Vorstoss. Eine zusätzliche gesetzliche Grundlage sei nicht erforderlich. Das Gleiche gelte für Plausibilisierungen der Gemeinden. Die Motion soll nicht erheblich erklärt werden.

In ihrer Antwort stützt sich die Regierung auf einen umfangreichen Bericht der Staatskanzlei. Die Anliegen der Motion seien entweder bereits umgesetzt oder abzulehnen, heisst es darin.

Verantwortung liegt bei Gemeinden

Die Verantwortung für die korrekte Ermittlung der Wahlresultate einer Gemeinde liege nicht beim Kanton, sondern bei der Gemeinde. Dazu gehöre auch, dass sie nachzählen muss, wenn Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses auftreten.

Die falsche Ablage von 200 Wahlzetteln ist am Wahlsonntag unentdeckt geblieben. Dies werfe Fragen auf über die Organisation des Wahlbüros der Stadt Frauenfeld. Die von der Stadt Frauenfeld eingesetzte Zählmaschine habe nicht exakt gearbeitet. Die Stadt müsse dieses Problem beheben.

Dass der Verurteilte kurz nach der Wahl allein zwei Nachkontrollen der Wahlzettel durchführte, könne man ihm nicht vorwerfen, hatte das Bezirksgericht festgehalten. «Er wurde allein gelassen», sagte der Gerichtspräsident bei der Urteilsverkündigung. So habe es die Staatskanzlei unterlassen, ihn beim Nachzählen zu unterstützen.

Diese Einschätzung erstaune, schreibt die Staatskanzlei in ihrem Bericht: «Mit seiner grossen Erfahrung hätte der Stadtschreiber wissen müssen, dass er das Wahlmaterial nicht allein durchsehen darf.»

Sollte er intern allein gelassen worden sein, wäre der Stadt Frauenfeld der Vorwurf zu machen, dass sie sich nicht besser organisiert hat. Der Leiter des Wahlbüros hätte die Nachzählung selbst vornehmen und leiten sollen.

Mit einer Anpassung der Weisungen für Urnengänge will die Staatskanzlei den Gemeinden das Vieraugenprinzip und die Regeln über die Protokollierung in Erinnerung rufen. Ausserdem planen Kanton und Gemeinden zusammen einen Musterablauf für die Abwicklung eines Urnenganges. Der Verband für Thurgauer Gemeinden (VTG) wird dafür ein Projekt starten, das im Frühling 2021 abgeschlossen sein soll.

veröffentlicht: 23. November 2021 15:18
aktualisiert: 23. November 2021 15:18
Quelle: sda

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