Thurgauer Justiz muss Islam-Aktion prüfen

· Online seit 11.10.2018, 12:14 Uhr
Die Thurgauer Justiz hat ungenügend abgeklärt, ob die Flugblatt-Aktion zweier Männer in Kreuzlingen eine Verbindung zur Aktion «Lies!» hatte. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichts hervor.
René Rödiger
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Die Polizei hatte die beiden Männer im November 2017 weggewiesen. Sie durften sich rund zwei Tage nicht in einem bestimmten Gebiet aufhalten. Sie hatten vor der Polizeikontrolle Passanten angesprochen, um mit ihnen über den Islam zu sprechen. Zudem verteilten sie Flugblätter.

Der Wegweisungs- und Fernhalteentscheid wurde damit begründet, dass die Männer Passanten belästigt und ohne Bewilligung Flugblätter verteilt hätten. Die Polizei kontrollierte auch das Auto der Männer. Darin fanden sie weiteres Material. Dieses wurde fotografiert, aber nicht beschlagnahmt.

Beschwerde beim Verwaltungsgericht

Gegen den Wegweisungsentscheid legten die Männer Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein. Sie rügten, dass die Wegweisung gegen ihre Glaubens- und Religionsfreiheit sowie gegen ihre Meinungs- und Bewegungsfreiheit verstosse. Zudem sei sie nicht verhältnismässig gewesen.

Erst in der Vernehmlassung des Verwaltungsgerichts äusserte sich die Kantonspolizei Thurgau eingehend zum mutmasslichen Zusammenhang der Geschehnisse in Kreuzlingen zur in Deutschland als verfassungswidrig eingestuften Organisation «Die wahre Religion».

Radikalisierung oder nicht?

Die Koran- und Flugblatt-Verteilaktionen sei ein Nährboden für die Radikalisierung junger Männer. Dies verneinen die beiden Beschuldigten. Ihre Beschwerde wies das Verwaltungsgericht jedoch ab.

Das Bundesgericht kommt in einem am Donnerstag publizierten Urteil zum Schluss, dass sich in den Akten keinerlei Hinweise auf die Verbindung zur Aktion «Lies!» oder zur Organisation «Die wahre Religion» finden liessen.

Staat muss Behauptungen beweisen

Weder seien von der Polizei der Rapport zu den Geschehnissen zu den Akten gelegt worden noch die Fotos, die sie vom Material im Auto der Männer gemacht hatte. Es obliege aber dem Staat, Behauptungen zu beweisen.

Das Bundesgericht hat den Fall deshalb zur genaueren Sachverhaltsabklärung an das Thurgauer Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Danach muss es nochmals über die Rechtmässigkeit des Wegweisungs- und Fernhalteentscheids befinden. (Urteil 1C_193/2018 und 1C_194/2018 vom 24.09.2018)

veröffentlicht: 11. Oktober 2018 12:14
aktualisiert: 11. Oktober 2018 12:14
Quelle: SDA

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