Thurgauer Sauen können wieder auf die Wiese – aber es kostet
Es ist eine Diskussion, die im Kanton Thurgau zum Politikum wurde: Jene über Schutz-Zelte für Schweine in Freilandhaltung.
Eine kurze Rückblende: Im Herbst 2020 entscheidet das Thurgauer Amt für Raumentwicklung, dass die typischen grünen Rundbogenzelte, welche in der Schweine-Freilandhaltung genutzt werden, nicht mehr zugelassen werden. Die Bewilligung dafür wurde nicht verlängert. Der Grund: Die Zelte würden mit ihrer reflektierenden grünen Schutzhülle nicht in das Landschaftsbild passen, auch Form und Grösse seien nicht angemessen.
Betriebe stellen Freilandhaltung ein, weil sie Zelte nicht mehr brauchen dürfen
Das hatte Folgen. So musste beispielsweise die Schweine-Freilandhaltung des Massnahmenzentrums Kalchrain, notabene ein Betrieb des Kantons selbst, eingestellt werden. Die besagten Zelte bieten den Schweinen Schutz, zudem werden sie darin mit Futter und Wasser versorgt – ohne ist die Versorgung der Tiere nicht wirtschaftlich zu gewährleisten, so die Einschätzung des bewirtschaftenden Bauern.
Um diese grünen Zelte dreht sich die Diskussion im Kanton Thurgau.
Verschiedene Bauern, der Tierschutz und Teile der Bevölkerung konnten den Entscheid des Amts damals nicht nachvollziehen. Innert kurzer Zeit wurde eine Online-Petition gegen die ausbleibende erneute Bewilligung der Zelte lanciert, die von mehreren tausend Personen unterzeichnet wurde. Auch auf kantonspolitischer Ebene reichten Politikerinnen und Politiker von links bis rechts Anfragen und Vorstösse zum Thema ein.
Netz-Überwurf als Kompromiss – aber ein kostspieliger für die Bauern
Sprung in die jüngere Vergangenheit: Der Schwall aus kritischen Reaktionen zwang die Behörden zu einer erneuten Prüfung des Sachverhalts. Der Grundtenor von Kritikerseite lautete: Es muss möglich sein, eine Lösung zu finden, die sowohl Tierwohl als auch Landschaftsschutz in genügender Weise berücksichtigt. Die Differenzen sorgten dafür, dass sich Behörden- und Bauernvertreter an einem Runden Tisch trafen und gemeinsam nach einem Kompromiss suchten.
Und die Lösungssuche war von Erfolg gekrönt. Ende des vergangenen Jahres zeichnete sich ab, dass die Zelte wieder genutzt werden dürfen – allerdings nur, wenn ein schwarzer Netz-Überwurf aufgespannt wird. Dieser soll weniger stark reflektieren als die grüne Aussenschicht. Ein klassischer Kompromiss. Jedoch einer, der für die Bauern ins Geld geht. Laut «SRF» kostet ein solches Netz bis zu 6000 Franken.
Behörden äussern Verständnis – Kosten seien aber vertretbar
Patrick Siegenthaler ist Thurgauer Mitte-Politiker und war federführend bei der erwähnten Online-Petition, die eine erneute Zeltbewilligung bewirken sollte. Er sagt gegenüber FM1Today: «Es ist eine Lösung, die Tiere können so wieder auf der Wiese gehalten werden. Es ist auch eine leichte Verbesserung, weil es ein bisschen weniger reflektiert.» Für die Landwirte jedoch sei es eine deutliche finanzielle Zusatzbelastung, die unter Umständen nicht rentiert.
Diese Bedenken teilt Jonas Büchel, Abteilungsleiter des Thurgauer Amts für Raumentwicklung, nicht. «Die Kosten sind vertretbar. Es handelt sich um einen einmaligen Aufwand, zudem geht man davon aus, dass die schwarzen Netze zehn Jahre haltbar sind.»
«Natürlich ist es eine Mehrbelastung»
Man habe die Kostenfrage bei der Lösungssuche miteinbezogen und auch mit den Thurgauer Bauernvereinigungen darüber gesprochen. «Ein wichtiger Punkt war natürlich die Frage, wie viel eine Lösung überhaupt kosten darf, so dass es nach wie vor möglich ist, diese Art der Tierhaltung zu betreiben», sagt Büchel gegenüber FM1Today.
Er stellt klar: «Natürlich ist es eine Mehrbelastung. Doch es nicht so, dass die Freilandschweinehaltung deshalb nicht rentieren würde.» Er könne aber natürlich verstehen, dass die Bauern als Unternehmer gewinnmaximierend denken und Mehraufwand wo möglich vermeiden wollen.
Nach wie vor Unverständnis bei Bauer: «Hätte einfach ein Militär-Tarnnetz aufgespannt»
Bauer Nikolaus Gisler aus Tägerwilen ist mit der neuen Lösung denn auch nicht wirklich zufrieden: «Da kann man nur den Kopf schütteln. Aber das ist jetzt die Auflage, an die wir uns halten müssen. Wir können nichts machen», sagt er gegenüber «SRF».
Für Gisler sind die 6000 Franken, welche er nun für die Spezialanfertigung des schwarzen Netzes aufbringen muss, zu viel. Denn der Betrag entspreche rund der Hälfte der Kosten eines ganzen Rundbogenzeltes. Gegenüber FM1Today führt er aus: «Es wurde genau vorgeschrieben, welche Materialien verwendet werden dürfen.» Seiner Meinung nach wäre es auch wesentlich günstiger gegangen: «Ich hätte einfach ein Militär-Tarnnetz aufgespannt. Doch das wurde nicht akzeptiert.»
Ungewissheit als Risikofaktor
So bleiben Gisler letzten Endes wenige Optionen. Er hat sich damit abgefunden, dass er nun in den schwarzen Überwurf investieren muss. Dass er diesen dann auch wirklich für zehn Jahre nutzen kann, dessen ist er sich nicht sicher: «Das sagt sich so leicht. Wir wissen nicht, was in Zukunft passiert.»
Er nennt beispielsweise die Schweinepest, welche ausbrechen könnte: «Wenn diese in nächster Zeit auch hier in der Schweiz ausbricht, dann müsste ich die Freilandhaltung der Schweine sofort stoppen und würde damit auf den Kosten sitzen bleiben.» Bei der Freilandhaltung bleiben will er aber dennoch: «Dafür haben wir jetzt gekämpft. Die Lösung ist nicht zufriedenstellend, aber ich kann damit leben.»
Ein typisch schweizerischer Kompromiss
Auch Petitions-Lancierer Patrick Siegenthaler kann der jetzigen Lösung etwas abgewinnen. Für ihn überwiegt die Freude, dass die Rundbogenzelte wieder erlaubt sind und die Schweine wieder auf der Wiese gehalten werden können. «Das ist das Wichtigste», so der Mitte-Politiker.
So ist die Lösung beim Thurgauer Schweinezelt-Knatsch am Ende in erster Linie eines: ein typischer Schweizer Kompromiss – ganz zufrieden ist zwar niemand, doch damit leben können alle Parteien.