Arbon

«Wunderbar» erneut ausgezeichnet – trotzdem droht Abriss

23.11.2020, 10:41 Uhr
· Online seit 23.11.2020, 07:07 Uhr
Bereits zum zweiten Mal in Folge wird die «Wunderbar» in Arbon als eines der schönsten Hotels der Schweiz ausgezeichnet. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem soll es die «Wunderbar» bald nicht mehr geben – zum Missfallen der Pächterin und sehr vieler Arboner.
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«Die Wunderbar ist mehr als eine Bar», heisst es auf der Internetseite der «Wunderbar». Dass es sich dabei nicht um reines Selbstverständnis handelt und der Appendix «Hotel» auf dem Namensschild nicht so verschwindend klein dargestellt sein müsste, beweist die erneute Auszeichnung des Gasthauses.

Bereits zum zweiten Mal wird das Hotel Wunderbar unter den 89 schönsten Hotels der Schweiz aufgelistet, herausgegeben vom Heimatschutz. Aufgenommen werden nur Lokale, wo eine «besonders hohe Baukultur gepflegt und ehrliche Gastfreundschaft gelebt wird», schreibt der Heimatschutz. Auch die regionale Verankerung spielt eine grosse Rolle. Die Liste wird alle sechs Jahre überarbeitet und in Buchform publiziert.

Mitentscheidend für die Auszeichnung der «Wunderbar» sind der industrielle Stil des Gebäudes, die durchdachten Konzepte der Zimmer und die vielen Extras – etwa der Kräutergarten oder die Lage direkt am See.

Die Stadt Arbon kann sich also eines kleinen Juwels rühmen. Im Moment noch. Denn nach wie vor soll die «Wunderbar» abgerissen werden.

«Bis vor Bundesgericht»

Den im März 2020 ausgelaufenen, zehnjährigen Pachtvertrag für die «Wunderbar» wollte die Eigentümerin ZIK Immobilien nicht verlängern. Die «Wunderbar» soll abgerissen, das Gelände nahe des Bodensee-Ufers teilweise als Abstellplatz für Baumaterialien genutzt werden.

Die Pächterin Simone Siegmann weigerte sich allerdings, das Gelände zu räumen – und bekam vor dem Bezirksgericht Weinfelden recht. Dieses lehnte das Ausweisungsbegehren der Eigentümerin ab und entschied, dass der Vertrag bis zum Jahresende verlängert werden muss.

Die Auseinandersetzungen vor Gericht werden weitergehen. Das hat Siegmanns Anwalt schon angekündigt – nötigenfalls bis vor Bundesgericht.

«Mache das nicht für mich» 

Zu den rechtlichen Aussichten will Siegmann auch nichts mehr sagen, dies sei Sache der Anwälte und für sie mittlerweile äusserst kräftezehrend. Aufgeben will sie trotzdem nicht – und zwar der Stadt Arbon und ihren Gästen zuliebe.

«Die Termine beim Friedensrichter, die Anwälte, die ganze Aufmerksamkeit – das ist nichts, was ich brauche. Aber ich mache das auch nicht für mich.» Sie habe so oder so nicht im Sinn, noch viele Jahre Pächterin zu bleiben. Aber die «Wunderbar» sei ein Bijou, welches sie auch aus der Ferne noch lange beobachten wolle, wie es auch in Zukunft floriere. Eines, das die Stadt Arbon brauche und eines, für das sie kämpfe.

Der ausgelaufene Pachtvertrag sei ihr bewusst. Und sie werde den Platz auch räumen, wenn es denn ein bewilligtes Bauvorhaben gäbe – und nicht nur um des Abbruchs willen abgebrochen werde. Für sie ist klar: Das Hotel Wunderbar sollte bestenfalls noch Jahrzehnte stehen bleiben.

«Bis zum letzten Tag»

Die Thematik um Abbruch oder nicht hat derart Raum im Gespräch mit Simone Siegmann, dass die Auszeichnung als eines der schönsten Hotels etwas in den Hintergrund gerät. Natürlich freue sie sich darüber, erneut ausgewählt worden zu sein, sagt Siegmann. Die Leute glaubten oft, die «Wunderbar» sei eine Art Backpacker-Hostel.

Dass die «Wunderbar» erneut durch den Heimatschutz ausgezeichnet wurde, liege auch daran, dass sie nicht aufgebe. Dass sie trotz drohenden Abbruchs alles nochmals streichen liess, neue Bettwäsche angeschafft habe und alles stets gepflegt sei. «Bis zum letzten Tag, ich gehe lieber mit wehenden Fahnen unter», gibt sie sich kämpferisch.

Ob und wann sie untergeht – oder zumindest die «Wunderbar» – ist immer noch umstritten. Die Frist des Bezirksgerichts dauert bis Ende Jahr.

veröffentlicht: 23. November 2020 07:07
aktualisiert: 23. November 2020 10:41
Quelle: FM1Today

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