Grenze Deutschland

Verletzter Rentner will ins Spital – Deutsche Grenzwächter halten ihn auf

11.05.2020, 10:32 Uhr
· Online seit 10.05.2020, 10:01 Uhr
Die geschlossenen Grenzen zwischen der Schweiz und Deutschland führen zuweilen zu geradezu absurden Situationen: Ein verunfallter deutscher Senior will von Jestetten über die Schweiz ins Spital nach Singen fahren. Doch er wird aufgehalten – und zwar an der deutschen Grenze.
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Der 82-jährige Mann aus Jestetten in Deutschland nahe der Schweizer Grenze hatte einen Unfall. Er war aus drei Metern Höhe von einer Leiter gefallen, beim Aufprall zog er sich Verletzungen an beiden Händen, Rippen und am Kopf zu. Doch damit war der Höhepunkt des Unglücks nicht überstanden. Für seine Frau war klar, er muss ins Spital nach Singen. Der kürzeste Weg dahin führt über die Schweiz. Während die Schweizer Grenzwächter den Schwerverletzten und seine Frau passieren liessen, stiess das Paar an der deutschen Grenze in Thayngen-Bietingen auf Widerstand, wie der «Südkurier» schreibt.

Nur mit Rettungswagen über die Landesgrenze

«Zwei junge deutsche Grenzhüter haben uns an der Weiterfahrt gehindert. Sie haben behauptet, dass ich mit dem Rettungswagen in das noch acht Kilometer entfernte Krankenhaus transportiert werden müsse», sagt der Pensionär gegenüber dem «Südkurier». Doch dies wollte der Verletzte nicht. Stattdessen entschied sich das Ehepaar nach Schaffhausen zu fahren, um dort das Notfallzentrum aufzusuchen.

Aber auch das liessen die Zöllner nicht zu: «Dazu hatten sie aber keine Berechtigung», sagt der Jestetter. Weil dann aber auf die Schnelle kein Krankenwagen verfügbar gewesen sei, habe man ihm letztlich doch die Weiterfahrt nach Singen erlaubt. Gleichzeitig stellten die Zöllner klar: Eine Rückreise durch die Schweiz sei nicht erlaubt.

Rückreise dauerte doppelt lang

Im Spital in Singen wurde der 82-Jährige gründlich untersucht und verarztet. Offenbar hatte er sich unter anderem beide Hände und fünf Rippen verstaucht. Auch die Verletzungen am Kopf wurden während des dreistündigen Aufenthalts versorgt. Bei der Rückfahrt musste das Paar die doppelte Fahrzeit in Kauf nehmen, bis sie wieder zu Hause in Jestetten waren.

Auf Anfrage des «Südkuriers» bestätigte die Bundespolizeidirektion, dass grenzüberschreitende Reisen bei dringlichen Fällen zulässig seien, so zum Beispiel bei ärztlichen Behandlungen. Die Bundespolizeidirektion stellte den Fall des Jestetter Ehepaares jedoch ganz anders dar: Die Bundespolizei habe die Verletzung erkannt und auch zur Entlastung der Ehefrau angeboten, einen Rettungswagen zu verständigen, was jedoch vom Verletzten abgelehnt worden sei. Weshalb das Paar auf dem Rückweg nicht durch die Schweiz fuhr, konnte die Bundespolizei nicht nachvollziehen. Gegebenenfalls liege hier ein Missverständnis vor.

«Verdrehen die Sache»

Der Fall dieses Paares zeigt, wie absurd teilweise die Situation an den Grenzen zum nahe liegenden Ausland wegen des Coronavirus ist. Familien und Freunde werden getrennt und in Notsituationen kann man nicht mit einer ungehinderten Überquerung der Grenze rechnen. Das Ehepaar ist wohl nicht umsonst erzürnt, der verletzte 82-jährige Mann sagt: «Die liessen mich nicht mehr zurück und verdrehen jetzt auch noch die ganze Sache.»

(agm)

veröffentlicht: 10. Mai 2020 10:01
aktualisiert: 11. Mai 2020 10:32
Quelle: FM1Today

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