Von schönen und wüeschten Silvesterchläusen
In einigen Dörfern des Kantons Appenzell Ausserrhoden scheinen die Uhren etwas anders zu ticken. Wenn nämlich das Jahr bereits zwei Wochen alt ist, wird mitten im Appenzellerland das neue Jahr ein zweites Mal eingeläutet. Nach uralter Tradition wird die Jahreswende vielerorts nicht nur nach dem gregorianischen Kalender am 31. Dezember gefeiert, sondern auch am 13. Januar, wie es der julianische Kalender vorsieht. An diesen beiden Tagen gehören die Strassen in vielen Ausserrhoder Gemeinden einem ganz besonderen Volk: den Silvesterchläusen.
Doch was sind Silvesterchläuse? Woher stammt dieser Brauch eigentlich? Warum gibt es ihn nur in einigen Gemeinden des Kantons Appenzell Ausserrhoden? Und warum tragen manche Silvesterchläuse kunstvoll gefertigte Gewänder, Hauben und Hüte, andere hingegen Kleider aus Tannenreisig und gruselige Masken? Diesen Fragen geht dieses Jahr erstmals eine Ausstellung nach. Am 31. Dezember geben Silvesterchläuse sowie eine Trachtenschneiderin im Alten Zeughaus in Herisau von 11 bis 18 Uhr Einblick in die Tradition, die sie immer zum Jahresende pflegen.
«In Herisau feiern wir die Jahreswende nur am 31. Dezember. In anderen Gemeinden wie etwa Urnäsch ziehen die Silvesterchläuse Mitte Januar ein weiteres Mal durchs Dorf, um den sogenannten alten Silvester zu zelebrieren», erklärt Felix Hefti. Der ehemalige Herisauer Silvesterchlaus hat dieses Jahr den Auftrag erhalten, parallel zum Silvesterchlausen draussen auf den Strassen eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, um Interessierten den Ausserrhoder Brauch näher zu bringen.
Schöne, Schö-Wüeschte und Wüeschte Chläuse
Es gibt drei verschiedene Arten von Silvesterchläusen: die Schönen, die Schö-Wüeschte und die Wüeschte. Letztere tragen furchteinflössende und hässliche Masken. Sie sind von Kopf bis Fuss in ein grobes Gewand aus Holzwolle, Laub, Stroh, Tannenzweigen oder Stechlaub gehüllt. Das Kostüm der schö-wüeschte Silvesterchläuse besteht ebenfalls aus Naturmaterialien, allerdings aus feinem Tannenreisig, Tannzapfen und Moos. Die Kopfbedeckung dieser Chläuse ist vielfach mit hübschen Holzschnitzereien verziert. Die schönen Chläuse haben kunstvoll und reich verzierte Hauben, die Szenen aus dem bäuerlichen Alltag oder dem Familienleben zeigen. Sie bestehen aus Samt und Glanzpapier. Dazu tragen sie eine trachtähnliche Samtkleidung.
«Da besonders die Hauben und Hüte der schönen Chläuse kunstvoll und individuell gestaltet sind, zeigen wir vorwiegend diesen Teil der Tracht», sagt Felix Hefti. Oftmals seien die Hauben mit bis zu zehntausend Glasperlen verziert, die in stundenlanger Arbeit von Hand angenäht werden. Die verschiedenen Hauben und Hüte werden auf Tischen platziert, damit die Besucher auch die kleinsten Details betrachten können. Daneben werden jedoch auch einige ganze Kostüme gezeigt sowie die Hüte der schö-wüeschten Chläuse.
Böse Geister vertreiben
Silvan Schwendinger ist einer der Silvesterchläuse, der im Rahmen der Ausstellung Einblick in die Ausserrhoder Tradition des Silvesterchlausen geben wird. Doch zuerst zieht er als schöner Chlaus durchs Dorf. «Wir gehen in kleinen Gruppen von Haus zu Haus, singen und wünschen allen ein glückliches neues Jahr und vertreiben die bösen Geister», erklärt Silvan Schwendinger. Doch nicht nur die schönen Chläuse überbringen gute Wünsche, auch die Schö-Wüeschten und die Wüeschten. Je nach Gemeinde seien mehr Schöne oder mehr Wüeschte Chläuse unterwegs. In Urnäsch würden Naturchläuse dominieren, in Herisau und Umgebung seien hingegen mehr schöne Silvesterchläuse unterwegs. Auch Felix Hefti war früher ein schöner Chlaus, der in seinem Samtgewand und mit einem aufwendig verzierten Hut von früh morgens bis spät abends durch die Strassen zog und jedem «ä guets Neus» wünschte.