Velohandel

Zuerst waren es zu wenig, jetzt zu viel – Velohändler kämpfen mit Lieferchaos

· Online seit 02.12.2022, 17:05 Uhr
Jede und jeder wollte ein Fahrrad – noch vor zwei Jahren brachte die Coronapandemie den Veloboom in die Schweiz. Wegen der grossen Nachfrage haben die Velohändler mehr Ware bestellt und stehen jetzt vor einem übervollen Lager.
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Der Veloboom aus dem Jahr 2020 ist grösstenteils vorbei, nun stapeln sich die Velos in den Lagern. Schuld daran ist die Pandemie.

In Ungewissheit, ob und wie viel der bestellten Ware tatsächlich kommt, bestellten Velohändler in den Coronajahren wegen der hohen Nachfrage mehr Ware als sie tatsächlich gebraucht hätten. «In der Velobranche hatten wir eine steile Zuwachsrate in den letzten Jahren. 2020 hat alles übertroffen», sagt der Geschäftsführer von Velo Suisse, Martin Platter. Das bestätigt auch Harry Ramsauer, der seit 32 Jahren ein Velogeschäft in St.Gallen führt: «In unserer Firmengeschichte waren das unsere zwei besten Jahre.» Velofahren sei etwas von dem gewesen, was man trotz Corona noch machen konnte.

Chaos bei den Lieferungen

Mit den vielen Bestellungen wollten die Händler Lieferengpässen vorbeugen, um der grossen Nachfrage nach Velos gerecht zu werden. Dieses Phänomen sei nicht nur in der Schweiz zu beobachten gewesen, sondern in allen westlichen Industrienationen.

«Keine Branche kann aber plötzlich die doppelte oder dreifache Menge liefern», erklärt Platter. Hinzu seien besonders strenge Coronaregime in den deutschen und asiatischen Fabriken gekommen, was zu Produktionsausfällen geführt habe. Dementsprechend lang waren die Wartezeiten für Velos und Ersatzteile aus dem Ausland. Gepaart mit brechenden Lieferketten habe dies das ganze System völlig aus dem Tritt gebracht.

Verspätete Produkte kommen erst jetzt an

Diese XXL-Bestellungen holen die Händlerinnen und Händler jetzt ein. Inzwischen hat sich die Corona-Situation entspannt. Lieferkettenprobleme werden weniger und die Nachfrage nach Velos geht zurück. Trotzdem gibt es verspätete Produkte, die erst jetzt ankommen. Die grossen Teilzulieferer haben nach wie vor offene Bestellungen, die sie vor sich herschieben. Diese tröpfeln nun nach und nach bei den Verkaufsstellen in der Schweiz ein, mit einer starken Verzögerung. «Wir erhalten ständig Velos, die ich teilweise noch im 2021 bestellt habe, obwohl ich jetzt aktuell kaum noch ein Velo brauche – und ich warte immer noch auf ein paar. Im Winter ist die Nachfrage nach Velos geringer», sagt Harry Ramsauer.

Um für jedes Velo einen Platz zu finden, musste Ramsauer kreativ werden. «Wir hatten eine Autogarage, die wir jetzt zu einer Velogarage umgewandelt haben. Eigentlich ist es eine schöne Ausgangslage, wir können dem Kunden ein gutes Angebot bieten. Es muss aber eine gewisse Liquidität vorhanden sein, da wir diese Velos jetzt im Voraus bezahlen mussten. Diese Herausforderung bereitet einigen Fachgeschäften grössere Probleme», sagt der St.Galler Velohändler und Geschäftsleitungsmitglied von 2radschweiz, dem Branchenverband der Velo- und Motorradhändler.

Händler hoffen auf guten Frühling

«Die Lager vieler Händlerinnen und Händler sind gut gefüllt», stellt auch der Geschäftsführer von Velo Suisse fest. «Die Velos für das 2022 sind jedoch bei einigen nicht im Frühling, sondern im Herbst gekommen. Das spüren wir jetzt», sagt Martin Platter. Sorge, dass die vielen Velos nun keinen Besitzer finden, hat Platter aber nicht. «In der Velobranche haben wir nicht einen so schnelllebigen Modetrend wie beispielsweise in der Modebranche. Diese Velos können auch im nächsten Jahr noch verkauft werden.» Dabei hoffen die Händler auf einen guten Frühling fürs Geschäft.

veröffentlicht: 2. Dezember 2022 17:05
aktualisiert: 2. Dezember 2022 17:05
Quelle: FM1Today

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