Zum Zmittag ein Blind Date

· Online seit 24.08.2016, 10:26 Uhr
Privatwohnung statt Dönerbude: Die Schweizer Internetplattform Margrit verspricht einzigartige Mittagessen bei privaten Köchinnen und Köchen. FM1-Moderator Felix Unholz hat es gewagt und sich für das kulinarische Blind Date angemeldet.
Felix Unholz
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Als ich das fremde Haus in Herisau betrete, in dem ich heute Zmittag esse, kommt bereits ein lachender Bub auf mich zugesprungen. Schnell wird klar: Die Selbstbeschreibung auf dem Onlineprofil meiner heutigen Privatköchin trifft zu. «Es ist einfach turbulent bei uns», warnt die 33-jährige Mutter Dorothea Enns potenzielle Gäste, «aber lustig».

Ihre zwei Söhne nehmen mich gleich in Beschlag und führen mich durchs Kinderzimmer. Die Tochter ist noch in der Schule. Im Ofen backt eine «Pizza à la Robin». «So heisst mein Sohn, der beim Belegen geholfen hat», erklärt Dorothea.

«Zu mir dürfen die Leute immer kommen»

Sie bekocht zum zweiten Mal Gäste, die sie über die Onlineplattform Margrit kennengelernt hat. Durch einen Flyer, der in der Drogerie auflag, hat die Pflegefachfrau von der Idee erfahren und war auf Anhieb begeistert: «Zu jemandem zum Essen zu gehen, kannst du mit drei Kindern niemandem zumuten, aber zu mir dürfen die Leute immer kommen.»

Zuerst müsse man sich mal kennenlernen, aber «meistens so nach dem Salat, der Vorspeise, wird man warm». Das letzte Mal kamen zwei Männer und eine junge Frau. «Sie macht irgendeinen Mittelalter-Tanz, davon habe ich noch nie gehört.»

Zmittag mit einem Taekwondo-Profi

Diesen Mittag habe ich mich vermeintlich alleine fürs Essen angemeldet. Doch spontan stösst noch Rosa dazu, eine Pensionärin im aktiven Ruhestand. Sie bringt einen Geflüchteten aus dem Iran mit, dem sie Deutsch beibringt. «Pizza? Nein, ich weiss nicht, wie man Pizza kocht», aber fein sei es gewesen, wird der junge Mann nach dem Essen sagen.

Er sei Kampfsportler und habe mehrere Taekwondo-Medaillen in internationalen Wettbewerben gewonnen. «Mein Ziel ist Gold an den nächsten Olympischen Spielen.»

Dorothea Enns möchte ab jetzt ein- bis zweimal pro Woche Leute mit Margrit zu sich nach Hause einladen. Allerdings sei es nicht ganz einfach, Gäste zu finden. Genau so ging es mir bei der Suche nach einer potenziellen Gastgeberin. Rund um die Stadt St.Gallen haben sich zwar neben Dorothea mehrere Privatköche bei Margrit eingetragen. Diese bewirteten aber, als ich nach einem Essen suchte, gerade keine Gäste.

Gemeinschaft statt Verdienst

14.30 Franken hat mich das Essen gekostet - für einen feinen gemischten Salat, Pizza mit Salami und Schinken, selbst gemachtes Beerenglacé und gute Gespräche. Verdienen tue sie daran kaum, meint Dorothea aus Herisau, aber das sei auch nicht wichtig. «Leute, die anonym in ein Restaurant gehen oder ein Brötli holen, sind oft einsam. Und hier hast du einfach die Möglichkeit, Gemeinschaft zu haben in einem Zeitrahmen, der durch das Mittagessen bereits gegeben ist.»

veröffentlicht: 24. August 2016 10:26
aktualisiert: 24. August 2016 10:26

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