Nun muss das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau prüfen, ob die lohnmässige Einstufung der Primarschullehrpersonen geschlechterdiskriminierend war. Ob die Lehrer tatsächlich einen höheren Lohn erhalten werden, ist aber noch nicht entschieden.
Beim Verwaltungsgericht waren anfänglich rund 90 Klagen von Lehrpersonen der Stufen Primarschule und des Kindergartens wegen Lohndiskriminierung hängig gewesen. Die Lehrer stellen sich auf den Standpunkt, dass ihre Löhne im Vergleich zu anforderungsgleichen Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung «systematisch zu tief» seien.
Auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts war je ein Fall pro Schulstufe herausgepickt und als Pilotfall behandelt worden. Während das Gericht die Beschwerde der Kindergärtnerinnen guthiess, trat es im Falle der Primarschullehrpersonen nicht auf die Klage ein.
Das muss es nun nachholen. Der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) errang am Dienstag vor Bundesgericht einen wichtigen Sieg: Die Sozialrechtliche Abteilung hat eine Beschwerde gutgeheissen, die den Primarlehrerberuf als typischen Frauenberuf qualifiziert. Die Abstimmung fiel mit drei zu zwei Stimmen aus.
Den Ausschlag gaben die Zahlen. Im Kanton Aargau sind über 80 Prozent der Angestellten im Primarschulbereich Frauen. Bei den Einschulungsklassen sind es sogar über 95 Prozent. Es sei deshalb nicht auszuschliessen, dass sich bei der Lohneinstufung eine geschlechterspezifische Diskriminierung eingeschlichen habe, befand die Mehrheit der Richter.
Dass es sich um einen Frauenberuf handelt, zeige sich auch aufgrund der öffentlichen Bemühungen, den Primarlehrerberuf auch für Männer wieder attraktiver zu machen. Dies wäre nicht notwendig, wenn er ein geschlechtsneutraler Beruf wäre, erklärte Abteilungspräsidentin Susanne Leuzinger (SP).
Marcel Maillard (CVP), der die Beschwerde zur Ablehnung empfohlen hatte, hält den Zeitpunkt für dieses Urteil für «denkbar schlecht». Er argumentierte damit, dass der Männeranteil gerade in den letzten zwei bis drei Jahren um gut ein oder zwei Prozent zugenommen habe. Es zeichne sich eine Trendwende ab.
Maillard brachte auch die Höhe der Pensen ins Spiel. Während die Hälfte der Primarschullehrer im Kanton Aargau Vollzeit arbeiteten, seien es bei den Frauen nur 27 Prozent. Von einem Frauenberuf zu sprechen, sei deshalb verfehlt.
Uneinig war sich das Gericht in der Frage, ob mit dem gefällten Urteil eine Rechtsprechungsänderung vorgenommen werde. Bisher bezeichnete das Bundesgericht den Primarlehrerberuf jeweils als geschlechtsneutral und verwendete ihn bei Lohnbeurteilungen als eine entsprechende Referenz.
Allerdings war in den bisherigen Urteilen des Bundesgerichts nie konkret die Frage zu beantworten, ob es sich beim Primarlehrerberuf um einen geschlechterspezifischen Beruf handelt.
Zufrieden zeigte sich der Lehrerdachverband LCH. «Das Urteil stärkt unsere Position, mit der geschlechtsspezifischen Lohndiskriminierung von Primarlehrpersonen endlich Schluss zu machen», erklärte LCH-Präsident Beat Zemp der Nachrichtenagentur sda.
Mit einer Flut von Klagen rechnet er dennoch nicht. Dafür sei die Situation der Primarlehrerinnen und -lehrer in den einzelnen Kantonen zu unterschiedlich. «Wir werden die heutige Situation in jedem Kanton analysieren. Das Urteil hat aber vor allem eine präventive Wirkung, wenn die Löhne im Primarlehrerberuf in Zukunft festgesetzt werden.» (Sitzung 8C_366/2014 vom 01.12.2015)