Auch Schweizer Experten machen keine Prognose auf Lebenszeit

17.05.2017, 15:10 Uhr
· Online seit 17.05.2017, 10:52 Uhr
Wie bereits ein französisches Experten-Duo am Dienstag haben am Mittwoch auch zwei Schweizer Gutachter im Adeline-Prozess zum Angeklagten keine Prognose auf Lebenszeit gemacht. Sie sehen aber ein sehr hohes Risiko für Wiederholungstaten.
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Die beiden Experten Alexandra Rageth und Eric Luke zweifeln daran, dass sich der Angeklagte je ändern wird. Mit 42 Jahren sei dieser aber noch jung. Sein Zustand müsse im Laufe der Jahre überprüft werden, sagte Alexandra Rageth.

Die beiden Gutachter gaben an, sich nicht zur Frage der lebenslänglichen Verwahrung äussern zu können, da es unmöglich sei, das Risiko des Angeklagten auf Lebenszeit abzuschätzen. Die beiden Experten sind überzeugt davon, dass der Angeklagte ihnen nicht alles gesagt hat.

«Ich denke dass er uns willentlich angelogen hat», sagte Alexandra Rageth. Ihrer Ansicht nach will er sich immer in ein gutes Licht rücken. Zudem hatten die Experten den Eindruck, dass der französisch-schweizerische Doppelbürger sie beeindrucken wollte.

Die beiden Schweizer Experten wurden am Mittwochmorgen befragt, nachdem am Dienstagnachmittag die beiden französischen Gutachter an der Reihe gewesen waren. Die beiden französischen Experten Pierre Lamothe und Daniel Zagury hatten ebenfalls keine Prognose auf Lebenszeit gemacht.

Gemäss den Schweizer Experten hatte der Angeklagte seit dem Tag, als die Sozialtherapeutin ihn in dem auf Resozialisierung spezialisierten Zentrum «La Pâquerette» empfangen hatte, erotische Fantasien.

Der französisch-schweizerische Doppelbürger habe zudem in seiner Zelle immer wieder Szenen aus dem Film «Braveheart» angeschaut, bei der einer Frau die Kehle durchgeschnitten wird. «Er sagte uns, dass er sich selbst und Adeline in dieser Szene vorgestellt habe», sagte Eric Luke. Der Angeklagte wähnte sich dabei in der Rolle des Schauspielers, welcher die Frau tötet.

Die beiden Schweizer Experten beschrieben den Angeklagten als Psychopathen mit einem schwer gestörten Sexualtrieb. Die Einschätzung der beiden Experten-Duos ist entscheiden für die Frage einer lebenslänglichen Verwahrung, die im Zentrum des Prozesses steht.

Viele der Fragen an die Schweizer Experten drehten sich um dieses Thema. Nur wenn zwei Gutachten unabhängig voneinander zum Schluss kommen, dass der Angeklagte dauerhaft nicht therapierbar ist, kann die Höchststrafe im Sinne der Verwahrungsinitiative verhängt werden.

Der 42-Jährige muss sich wegen Mordes, Freiheitsberaubung, sexueller Nötigung und Diebstahls vor dem Genfer Strafgericht verantworten. Er hat gestanden, die 34-jährige Genferin am 12. September 2013 während eines Freigangs getötet zu haben.

Er bestritt in den ersten drei Prozesstagen aber eine Tötungsabsicht und gab an, Adeline in einem «animalischen Zustand» die Kehle durchgeschnitten zu haben. Geplant habe er jedoch einzig die Flucht nach Polen, wo er seine Ex-Freundin ausfindig machen und laut Anklage töten wollte.

Der Prozess wird am Donnerstag mit der Befragung der Angehörigen des Opfers fortgesetzt. Sie waren beim ersten Prozess im Oktober nicht befragt worden. Nachdem die Richter wegen Zweifel an ihrer Unbefangenheit in Ausstand gesetzt wurden, wird der Fall vor dem Genfer Strafgericht von neuen Richter erneut in erster Instanz verhandelt.

Ebenfalls am Donnerstag wird der Staatsanwalt Olivier Jornot sein Plädoyer halten. Die Plädoyers der Verteidigung und des Anwalts der Angehörigen sind für Freitag vorgesehen. Für die Urteilseröffnung wurde noch kein Datum bekannt gegeben.

veröffentlicht: 17. Mai 2017 10:52
aktualisiert: 17. Mai 2017 15:10
Quelle: SDA

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