Wirtschaftskrise

Bestürzung bei Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden

11.12.2020, 19:45 Uhr
· Online seit 11.12.2020, 19:29 Uhr
Die Verschärfung der Corona-Massnahmen durch den Bundesrat löst in der Arbeitswelt Bestürzung aus. Gewerkschaften und Branchenverbande fordern mehr finanzielle Unterstützung.
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Sowohl bei den Gewerkschaften als auch bei Wirtschaftsverbänden wurde kurz nach Bekanntgabe der verschärften Massnahmen durch den Bund der Ruf nach mehr wirtschaftlicher Unterstützung laut. Die Aufstockung der Mittel für Härtefälle wurde zwar durchwegs begrüsst, reiche aber nicht aus, so der Tenor.

Es brauche zusätzliche wirtschafts- und sozialpolitische Massnahmen, fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) in einer ersten Reaktion. Er verlangt einen 100-prozentigen Lohnersatz für Geringverdienende in Kurzarbeit und eine Verlängerung der Rahmenfristen für ältere Arbeitslose. Ausserdem müssten wegfallende Umsätze kompensiert werden, um einen weiteren Arbeitsplatzabbau zu vermeiden.

Auch die Gewerkschafts-Dachorganisation Travail Suisse will zusätzliche Massnahmen, so etwa die Ausweitung der Kurzarbeit auf Temporärarbeiter und die Reaktivierung der Corona-Hilfskredite. «Die Erhöhung der finanziellen Mittel im Härtefallfonds, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, kann angesichts der Betroffenheit ganzer Branchen nur ein erster Schritt sein», schreibt Travail Suisse in einer Mitteilung.

Angst vor Gedränge an Samstagen

Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) stehe den Entscheiden des Bundesrates «sehr kritisch» gegenüber, heisst es in einer ersten schriftlichen Reaktion. Die Situation in der Wirtschaft sei bereits jetzt alarmierend. Ein Dorn im Auge ist dem SGV das Verbot von Sonntagsverkäufen. «Das Weihnachtsgeschäft wird sich auf die Samstage verschieben und zu hohen Menschenansammlungen führen», schreibt der SGV.

Positiv bewertet der Gewerbeverband, dass der Bundesrat mehr Geld für betroffene Betriebe sprechen will. Allerdings müsse überprüft werden, ob das Härtefallprogramm dafür das richtige Mittel sei. «Die Kantone müssten sehr schnell Mittel in gleicher Höhe sprechen», so der Verband.

Die Swiss Retail Federation sieht in den verschärften Massnahmen eine «massive Bedrohung für den Detailhandel». Die Einschränkung der Ladenöffnungszeiten treffe die Branche in der äusserst wichtigen Weihnachtszeit empfindlich. Auch gesundheitspolitisch sei dies nicht sinnvoll: «Eine Glättung der Kundenfrequenzen wird deutlich erschwert», befürchtet der Branchenverband. Er fordert finanzielle Kompensationen vom Bund, insbesondere für Kioske, Tankstellen und Geschäfte an Bahnhöfen, die auf das Geschäft am Abend und am Wochenende ausgerichtet seien.

Auch der Handelsverband befürchtet chaotische Zustände an den Samstagen. Ausserdem werde durch das Ausweichen auf den Onlinehandel nun die Infrastruktur belastet. «Mit dem Entscheid riskiert der Bundesrat auch, dass die Post in den nächsten zwei Wochen ihren Leistungsauftrag nicht mehr vollumfänglich erfüllen kann», heisst es in einer Mitteilung der Branchenorganisation.

Empörung bei der SVP, Zustimmung bei den Sozialdemokraten

Auch die Parteien äusserten sich nach der Pressekonferenz des Bundesrates zu den beschlossenen Massnahmen. Hart ins Gericht mit der Regierung ging die SVP: Diese seien willkürlich und versetzten vielen Gewerbetreibenden den Todesstoss, schreibt die Volkspartei in einer Mitteilung. Die Corona-Politik der SP-Bundesräte Simonetta Sommaruga und Alain Berset sei ein Desaster. So sei es kein Wunder, dass sich in der Bevölkerung Widerstand gegen die Umsetzung der Massnahmen rege.

Der Bundesrat teile die Haltung der SP, schreiben die Sozialdemokraten. «Die Forderungen der SP wurden gehört und die Schweiz macht einen Schritt in die richtige Richtung», wird Co-Präsidentin Mattea Meyer in der SP-Mitteilung zitiert. Die SP fordert weitere wirtschaftliche Hilfen, namentlich Mieterlasse, die Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen und die Erhöhung der Kurzarbeitsentschädigung für Einkommen unter 4000 Franken.

Ein finanzielles Unterstützungspaket fordert auch die FDP, die die Massnahmen des Bundesrates als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Die Kantone müssten ausserdem die Freiheit haben, bei tiefen Fallzahlen selbst über Öffnungszeiten von Läden und Restaurants zu entscheiden. «Jeder Todesfall ist tragisch. Wir dürfen aber nicht die Gesundheit der Bevölkerung gegen die Wirtschaft ausspielen», wird Parteipräsidentin Petra Gössi in der Mitteilung der Liberalen zitiert.

Die CVP zeigte sich zufrieden mit dem Eingreifen des Bundesrates, auch da dieser eine Regionalisierung zugelassen habe. Die Debatte der letzten Tage sei der Schweiz unwürdig gewesen, wird Parteipräsident Gerhard Pfister zitiert: «Westschweiz gegen Deutschschweiz, Kantonsregierungen gegen den Bundesrat, alle gegen alle und jeder nur für sich.» Nun brauche es wieder mehr Miteinander, so die CVP.

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veröffentlicht: 11. Dezember 2020 19:29
aktualisiert: 11. Dezember 2020 19:45
Quelle: CH Media

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