Arbeit

Bundesrat bleibt bei Überbrückungsrente ab 60

30.10.2019, 16:27 Uhr
· Online seit 30.10.2019, 16:25 Uhr
Wer nach dem 60. Altersjahr von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert wird, soll bis zur Pensionierung eine Überbrückungsrente erhalten. Daran hält der Bundesrat nach der Vernehmlassung fest. Nun ist das Parlament am Zug.
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Die neue Sozialleistung könnte rasch eingeführt werden. Am Mittwoch hat der Bundesrat die Vorlage zuhanden des Parlaments verabschiedet, bereits im Dezember will der Ständerat darüber beraten.

Das hohe Tempo hat mit der Begrenzungsinitiative der SVP zur Kündigung der Personenfreizügigkeit zu tun: Der Bundesrat beschloss die Überbrückungsrente nicht nur, aber auch in Hinblick auf die Abstimmung, die frühestens im Frühjahr stattfindet.

Unbehagen in der Bevölkerung

Er gebe damit eine Antwort auf ein Unbehagen in der Bevölkerung, sagte Sozialminister Alain Berset am Mittwoch vor den Medien in Bern. Die Überbrückungsrente ist Teil eines Massnahmenpakets für ältere Arbeitslose, das die Akzeptanz der Personenfreizügigkeit erhöhen soll.

Das Ziel bleibe die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, betonte Berset. Im Alter von 60 könne das jedoch schwierig sein. Die Betroffenen sollten vor prekären Verhältnissen am Ende des Arbeitslebens geschützt werden.

Leistung bei Bedarf

Der Bundesrat spricht von Überbrückungsleistungen (ÜL). Es handle sich um eine Bedarfsleistung, nicht um eine Rente, erklärte Berset. Anspruch haben Personen, die mit 58 Jahren oder später ihre Stelle verloren haben. ÜL erhält jedoch nur, wer mindestens 20 Jahre lang mit einem Erwerbseinkommen von mindestens 75 Prozent der maximalen AHV-Rente in die AHV eingezahlt hat (21'330 Franken).

Damit will der Bundesrat eine Einwanderung ins System verhindern. Weiter muss in den 15 Jahren unmittelbar vor der Aussteuerung während mindestens 10 Jahren ein minimales Erwerbseinkommen von 21'330 Franken erzielt worden sein.

Anpassung nach Vernehmlassung

Mit dem Spielraum von 15 Jahren hat der Bundesrat nach der Vernehmlassung eine Änderung vorgenommen. So können auch Personen ÜL erhalten, die vor der Aussteuerung krank geworden sind oder Erwerbsunterbrüche hatten. Die ursprüngliche geplante Bedingung - 10 Jahre unmittelbar vor der Aussteuerung - sei zu restriktiv gewesen, sagte Berset.

An der Vermögensschwelle hat der Bundesrat keine Änderungen vorgenommen: Anspruch hat nur, wer weniger als 100'000 Franken Vermögen hat. Bei Ehepaaren liegt die Schwelle bei 200'000 Franken. Selbstbewohntes Wohneigentum wird bei der Vermögensschwelle nicht angerechnet.

Höherer Lebensbedarf

Die Überbrückungsleistung soll gleich berechnet werden wie eine Ergänzungsleistung (EL). Ihre Höhe entspricht der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen. Es gibt allerdings zwei Abweichungen: Der Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf ist um 25 Prozent höher - aktuell 24'310 Franken, für Ehepaare 36'470 Franken. Damit würden auch Krankheitskosten abgegolten, die bei den EL gesondert vergütet würden.

Ausserdem sollen die ÜL plafoniert werden, damit die Betroffenen weiterhin einen Anreiz haben, sich um eine Stelle zu bemühen. Die Rente beträgt maximal das Dreifache des Betrags für den allgemeinen Lebensbedarf bei den EL. Das sind für alleinstehende Personen 58'350 Franken und für Ehepaare 87'525 Franken.

4400 Personen im Jahr

Betroffen seien nicht viele, sagte Berset, doch sei die Situation für diese Menschen schwierig. In den vergangenen Jahren wurden im Durchschnitt jährlich rund 2600 Personen im Alter von 60 und mehr Jahren ausgesteuert. Der Bundesrat geht davon aus, dass nach der Einführungsphase etwa 4400 Personen jährlich Anspruch auf Überbrückungsleistungen haben.

Die Kosten für den Bund belaufen sich auf 30 Millionen Franken im Jahr 2021, steigen in den Folgejahren und betragen ab 2030 rund 230 Millionen Franken im Jahr. Dem stünden Einsparungen bei den EL von zu Beginn 20 Millionen und später mehr als 30 Millionen Franken pro Jahr gegenüber, schreibt der Bundesrat.

Keine falschen Anreize

Kritikerinnen und Kritiker wenden ein, die neuen Leistungen könnten dazu führen, dass Unternehmen ältere Mitarbeitende erst recht entlassen und ins Sozialsystem abschieben würden. Dazu sagte Berset, diese Befürchtung stelle die Wirtschaft in einem schlechten Licht dar. Ausserdem seien solche Auswirkungen gemäss einer Studie nicht zu erwarten.

Berücksichtigt wurden für die Studie Erfahrungen mit der Rente-Pont im Kanton Waadt, die den Überbrückungsleistungen ähnelt. Zu vermehrten Entlassungen kam es nicht. Auch hätten ältere Arbeitnehmende nicht öfter ihre Stelle aufgegeben, schreibt der Bundesrat in der Botschaft.

Sozialhilfequote steigt

Heute landen ältere Menschen zunehmend in der Sozialhilfe, wenn sie ihren Job verlieren. Bei den 60- bis 64-Jährigen ist die Sozialhilfequote in den vergangenen Jahren am stärksten gestiegen. Bevor die Betroffenen Sozialhilfe erhalten, müssen sie oft ihr Vermögen aufbrauchen, ihre AHV-Rente vorbeziehen und auch ihre Altersguthaben aus der zweiten und der dritten Säule antasten.

Die Überbrückungsleistungen sollen das verhindern. In der Vernehmlassung ist der Vorschlag mehrheitlich auf ein positives Echo gestossen. Dagegen hat sich die SVP ausgesprochen. Auch die GLP und die BDP lehnen die ÜL ab.

Die FDP, der Arbeitgeber- sowie der Gewerbeverband forderte eine höhere Altersschwelle, die SP und die Gewerkschaften sprachen sich für eine tiefere Schwelle aus. Die CVP zeigte sich mit den Anspruchsvoraussetzungen zufrieden. Nun kann sich die vorberatende Ständeratskommission über die Vorlage beugen.

veröffentlicht: 30. Oktober 2019 16:25
aktualisiert: 30. Oktober 2019 16:27
Quelle: sda

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