Umwelt

Dem Mikroplastik am Mont-Blanc-Massiv auf der Spur

· Online seit 04.06.2021, 17:20 Uhr
Ein schweizerisch-französisches Team radelt mit Elektrovelos um den Mont Blanc. Die Forscher sind dem Mikroplastik auf der Spur, der kilometerweit durch die Luft schwebt und sich auf den grossen Gletschern des Bergmassivs ablagert.
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Mikroplastik gelangt in die entlegensten Winkel der Erde. In der Antarktis, am Boden der Tiefsee, in abgelegenen Bergseen und am Mount Everest fanden Forschende Spuren der winzigen Partikel. Aber wie sieht es auf dem Dach Europas aus? Auf ihrer einwöchigen Reise - 160 Kilometer auf dem Rad und zu Fuss durch die Bergwelt in Frankreich, Italien und der Schweiz - möchten das die Umweltorganisationen Summit Foundation und Aqualti in Zusammenarbeit mit der französischen Université Savoie Mont Blanc herausfinden.

Unter anderem am Fusse des Glacier des Bossons, des Glacier d’Argentieres und des Glacier de Trient hält das Team an, um ein Netz mit einer Maschenweite von 50 Mikrometer zu installieren und die vom Schmelzwasser transportierten Plastikpartikel in Fläschchen zu sammeln.

Keine Verfälschung durch Alpinisten

«Wir haben uns bewusst entschieden, unsere Expedition früh in der Saison zu starten», sagte Olivier Kressmann von der Schweizer Summit Foundation im Gespräch mit Keystone-SDA. «So stellen wir sicher, dass der eingesammelte Plastik nicht hauptsächlich von Wanderern und Alpinisten stammt, sondern durch Wind und Niederschläge auf dem Massiv des Mont Blanc abgelagert wurde.»

Der Inhalt der Probenfläschchen von insgesamt 16 Gletschern wird anschliessend an der französischen Universität in Chambéry untersucht. Dabei möchten die Forschenden nicht nur die Partikel zählen, sondern auch anhand eines Spektrometers die Sorte der Plastikteilchen bestimmen, wie Frédéric Gillet von Aqualti erklärte.

Tausende Kilometer durch die Luft

Noch gibt es keine umfassenden Studien zur Mikroplastikverschmutzung in den Alpen. «Dass winzige Plastikteilchen über den Luftweg zum Mont Blanc transportiert werden und sich dort ablagern, ist so gut wie sicher», sagte Jürg Trachsel, der am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) tätig ist. Gemeinsam mit einem Team des deutschen Alfred-Wegener-Instituts (AWI) publizierte er vor zwei Jahren eine Studie im Fachmagazin «Science Advances» zur Mikroplastikverschmutzung in abgelegenen Orten. Damals wiesen sie rund 14'000 Plastikteilchen in einem Liter Schmelzwasser nicht nur während der Wintersperre auf dem Flüelapass, sondern auch in der Arktis nach.

Wie die Plastikteilchen über die Atmosphäre transportiert würden, sei noch wenig untersucht, so der SLF-Forscher. «Man geht aber davon aus, dass sie sich aufgrund der ähnlichen Grösse auch ähnlich verbreiten wie Blütenpollen oder Saharastaub.» Letzterer lege Strecken von mindestens 3500 Kilometern über die Luft zurück.

Sensibilisierung als Hauptziel

Am meisten beschäftigen Trachsel die unklaren Auswirkungen von Mikroplastik auf Ökosysteme, den darin lebenden Organismen und die menschliche Gesundheit. Es gebe etwa Laborversuche, bei denen Mikroplastik Entzündungen bei Muscheln hervorrief oder Wattwürmer langsamer wachsen liess. «Wir wissen aber nicht, ob diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind», sagte der Forscher. Anstatt abzuwarten, bis sich die Auswirkungen irgendwann zeigen werden, findet er es wichtig, diese Fragen gezielt zu erforschen sowie die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren.

So ist denn auch das Hauptziel des Mont-Blanc-Projekts, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen, wie Kressmann sagte. Denn: «Was wir am höchsten Berg Europas Mont Blanc messen, wird nicht dort generiert.» Gegen das Umweltproblem könne jede und jeder etwas tun, sei es bei der Wahl der Produkte im Badezimmer oder den Kaffee für unterwegs aus einem wiederverwendbaren statt Wegwerf-Becher zu trinken.

Das Team plant unter anderem, die Resultate in Präventionskampagnen einfliessen zu lassen und einen Dokumentarfilm über die Expedition zu produzieren.

veröffentlicht: 4. Juni 2021 17:20
aktualisiert: 4. Juni 2021 17:20
Quelle: sda

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