Schweiz

Elektronischer Handel: Billig-Onlineshop lockt Schnäppchenjäger mit Schliessung-Lüge an

Betrugsversuch

Billig-Onlineshop lockt Schnäppchenjäger mit Schliessungs-Lüge an

· Online seit 16.10.2024, 13:30 Uhr
Zwei Dinge plagen das Zürcher Gewerbe: Geschäftsaufgaben und billige Konkurrenz aus Fernost. Mit einer neuen Masche versuchen Online-Betrüger, beides zu verbinden – auf besonders perfide Weise.
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Wenn bekannte Läden nach jahrzehntelanger Tätigkeit zumachen müssen, dann löst das oft Betroffenheit und viel Interesse aus. Das gilt bei grossen Warenhäusern wie Jelmoli ebenso wie bei Ketten wie Weltbild oder einzelnen Geschäften wie dem Zürcher Brautmodengeschäft «Mery's Couture».

Vielleicht wurde ein Today-Reporter deshalb aufmerksam, als ihm auf Instagram die Werbung eines Ladens namens «Amelia Zurich» angezeigt wurde. Das Familienunternehmen müsse leider nach Jahrzehnten schliessen, wurde in der Anzeige behauptet. Man veranstalte deshalb schweren Herzens einen Schlussverkauf mit grossen Rabatten und kostenlosem Versand.

Emotionale Geschichte lockt auf die Website

Auf den ersten Blick sieht die Website, zu der die Werbung führt, unverdächtig aus. Wer etwas herunterscrollt, findet vor allem Schmuck und dann auch einen längeren Text, in dem noch einmal von der Schliessung berichtet wird.

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«Seit Jahrzehnten wird unser Familienunternehmen von der Leidenschaft für Mode, der Liebe zur Kreativität und dem Engagement für Qualität angetrieben», liest man auf der Website. Tränenreich geht es weiter: «Es bricht uns das Herz, Ihnen diese Nachricht zu überbringen, und wir haben das Gefühl, Sie im Stich zu lassen. Sie waren mehr als nur Kunden; Sie waren ein Teil unserer Familie. Um euch unsere Dankbarkeit zu zeigen und euch den Abschied ein wenig zu versüßen, bieten wir einen letzten verrückten Ausverkauf an.»

Viele Indizien zeigen: Hier stimmt was nicht

So weit, so glaubhaft. Doch bei genauerem Hinsehen tauchen diverse Ungereimtheiten auf. Die Website strotzt nur so vor Schreibfehlern und komischen Formulierungen («Akzesoire», «Sonnebrillen», deutsches «ß»). Ein Impressum gibt es nicht, auch keine Adresse, Ansprechperson oder Telefonnummer in Zürich. Ein Banner ganz oben auf der Seite warnt: «Sale endet heute Abend». So stand es dort am Samstag, Sonntag und auch am Montag.

Die Bestimmungen zu Datenschutz und Versand auf der Website datieren vom September 2024. Ausser einer generischen Mailadresse findet man auch dort keine Kontaktangaben. Eine sogenannte «Whois»-Abfrage zum Ursprung der Seite zeigt: Sie wurde im Juni dieses Jahres in den Niederlanden registriert. Eine Handelsfirma mit Namen «Amelia Zurich» existiert weder im Zürcher noch im schweizerischen Handelsregister. Das Foto, das die Familie hinter dem Zürcher Traditionsunternehmen angeblich zeigen soll, stammt von der Website eines kanadischen Fotografen.

«Alles nur Plastik und Polyester»

Die Vermutung liegt nahe, dass mit der Geschichte eines angeblich von der Schliessung betroffenen Zürcher Ladens nichts ahnende Kundinnen und Kunden angelockt werden sollen. Die Aussicht auf traumhafte Preisnachlässe für Qualitätsprodukte aus der Region täuscht aber. Wie bei früheren Onlineshops, die sich als hiesige Firmen ausgaben, wird hier mutmasslich Massenware aus Asien verkauft. Und das trotz Rabatten immer noch zu überteuerten Preisen.

Informationen über «Amelia Zurich» sind im Internet kaum zu finden. Höchst seltsam für ein angeblich seit Jahrzehnten bestehendes Zürcher Familienunternehmen. Auf der unabhängigen Plattform «Trustpilot», wo User Onlineshops bewerten können, werden zum Teil vernichtende Urteile über eine Marke mit Namen «Amelia» abgegeben, darunter auch aus der Schweiz.

«Der Shop verkauft Fakes und wandelt den Artikelnamen / die Marke etwas ab», heisst es in einer Bewertung auf Trustpilot. Ein anderer User schreibt: «Alles nur Plastik und Polyester.» Und noch ein anderer: «Teil der Ware kam zu spät an, Rücksendung sehr schwierig, da Hongkong. Viel zu teuer.»

Dropshipping-Shops geben sich als Schweizer Unternehmen aus

Dass sich irgendwelche Onlineshops als Schweizer Unternehmen ausgeben, ist mittlerweile ein verbreitetes Problem. Ob «Paul Rosenbach Zuerich» oder «Boutique Bern» – es dürfte sich dabei immer um sogenannte Dropshipping-Shops handeln, bei welchen ein Händler Ware aus China direkt von den Lieferanten an die Kunden weiterverkauft, ohne ein eigenes Lager zu betreiben.

Die Meldungen über solche Dropshipping-Shops haben in den letzten Monaten massiv zugenommen. So lässt sich bei der E-Commerce-Software «Shopify» etwa direkt die chinesische Onlinehandelsplattform «Ali Express» einbinden – «Shopify» bietet sogar kostenpflichtige Dropshipping-Kurse an. SRF bezeichnete diese Praxis in einem Bericht über die Zusammenarbeit von «Shopify» mit solchen dubiosen Webshops als «Gaunerei im Onlinehandel».

Den schweizerischen Behörden sind diese Shops bekannt, allerdings ist die Masche von «Amelia Zurich» neu. Auf Anfrage von ZüriToday sagt das Staatssekretariat für Wirtschaft, dass man konkrete Beschwerden gegen Personen, welche die Schliessung eines Onlineshops vortäuschen, noch nicht erhalten habe. Dennoch vermutet Mediensprecher Fabian Maienfisch hinter «Amelia Zurich» einen Fake.

«Der Umstand, dass überhaupt keine Kontaktangaben des Anbieters auf der Website aufgeführt sind, weist auf einen Fakeshop hin», so Maienfisch. Mangels Untersuchungskompetenzen könne dies allerdings weder bestätigt noch abschliessend beurteilt werden.

«Wir haben Beschwerden erhalten»

Anders sieht es bei der Reklamationszentrale Schweiz und der Stiftung für Konsumentenschutz aus. Beiden Organisationen haben Kenntnis von der neuen Masche. «Der Online-Shop amelia-zurich.ch ist uns leider bekannt. Es ist ein Dropshipping-Shop, der vorgibt, einen Bezug zu Zürich zu haben», sagt Lucien Jucker von der Stiftung für Konsumentenschutz. «Wir haben Beschwerden erhalten, die sich gegen den Shop richten».

Reto Puma von der Reklamationszentrale Schweiz fügt hinzu: «Es gibt immer wieder Onlineshops, die mit emotionalen Geschichten versuchen, Kunden zu ködern. Diese Shops nutzen oft die Dringlichkeit eines angeblichen Schlussverkaufs, um schnelle Käufe zu fördern.» Genau so, wie «Amelia Zurich» es versucht.

Teure Billigware

Dropshipping-Shops seien oft nur kurz online und würden schnell wieder verschwinden, um der Strafverfolgung zu entgehen. «In der Regel verschicken sie zwar die Ware, allerdings sehr spät und in einer ungenügenden Qualität», heisst es seitens der Reklamationszentrale. Gehe es um Rücksendungen, Reklamationen oder andere Anfragen werde man ignoriert.

Die Ware werde direkt von AliExpress, Shein und anderen Billigstplattformen versandt. «Mit dem signifikanten Unterschied, dass der Preis ein Vielfaches beträgt», so Lucien Jucker vom Konsumentenschutz.

Vorsicht beim Bestellen

Was können Onlineshopper tun, um sich gegen Amelia und Konsorten zu schützen? Alarmsignale bei einer Bestellung über einen Onlineshop sind fehlende oder negative Bewertungen. Der Konsumentenschutz rät zudem zu überprüfen, ob ein Impressum vorhanden ist und darin auch eine existierende Firma oder Privatperson genannt wird. «Wir raten Kunden, immer vorsichtig zu sein, wenn ein Angebot zu gut erscheint, um wahr zu sein», ergänzt Reto Puma von der Reklamationszentrale Schweiz.

veröffentlicht: 16. Oktober 2024 13:30
aktualisiert: 16. Oktober 2024 13:30
Quelle: ZüriToday

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