Wirtschaft

Englisch lernen in Laax statt in Los Angeles: Wie Schweizer Anbieter für Sprachreisen aus der Coronakrise finden wollen

· Online seit 07.07.2020, 05:00 Uhr
Covid-19 vermieste den Sprachreiseagenturen Boa Lingua und EF Education First ihr Kerngeschäft. Jetzt sehen sie wieder «Licht am Ende des Tunnels». Trotz vielen Maturanden, die mit dem Zwischenjahr zögern.
Frederic Härri
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Ferne Länder bereisen, eine fremde Sprache lernen, neue Freundschaften schliessen. Das ist der Traum vieler – überwiegend junger – Menschen. Zwei Firmen, die Träume wie diese möglich machen, sind die Sprachreiseagenturen Boa Lingua und EF Education First. Für sie dürften sich die letzten Monate aber eher wie ein Albtraum angefühlt haben.

Gestrichene Flüge, abge­riegelte Hotels und geschlossene Sprachschulen vermiesten den beiden Anbietern ihr Kern­geschäft. «Seit März sind die ­Buchungszahlen stark rück­läufig», sagt EF-Sprecherin ­Regula Knechtle. Sandro Mauchle, Sprecher von Boa ­Lingua, berichtet: «Vom Buchungsstand im Vorjahr sind wir weit ­entfernt.»

Natürlich hat das damit zu tun, dass es über drei Monate kaum möglich war, andere Länder zu bereisen. Nach wie vor sind vielerorts Grenzen ­geschlossen oder es gelten ­beschränkte Einreisebestimmungen. «Von einer Erholung können wir noch nicht sprechen», meint Knechtle. Dafür seien die Unbekannten auf weltweiter Ebene zu gross.

«Verstärkte Reiselust» ist wieder spürbar

Nichtsdestotrotz: Langsam sehe man dank der Lockerungen im Schengenraum «Licht am Ende des Tunnels», sagt Knechtle. Die Entschlossenheit, einen Sprachaufenthalt zu buchen, kehre zurück. Auch Mauchle spricht von einer «verstärkten Reiselust». Die Sprachreiseanbieter wollen die Gunst der Stunde nutzen. Sie passen die Buchungsbedingungen an und warten mit Vergünstigungen und Sonderangeboten auf.

Wer etwa bei Boa Lingua bis Ende Juli bucht, erhält 100 Franken Rabatt. EF hat früh nach Alternativen gesucht für den Fall, dass viele der Schulen auch im ­Sommer geschlossen sind. So ­bietet man neu ausserordentliche Englischcamps an Orten an, in denen Englisch nicht die Landessprache ist: in Athen, Malaga und hier in der Schweiz in Laax, wo in diesem Juli zwei zweiwöchige Kurse stattfinden.

Kurzfristig wird es ohnehin die wenigsten Schweizer in weit entfernte Städte ziehen. Zu prekär ist die Lage etwa in den USA, zu schnell kann sich die Situation aufgrund der Coronapandemie wieder verschärfen. Ob Schulen geöffnet oder geschlossen bleiben, entscheiden zudem nicht die Agenturen selbst. Das ist Sache der lokalen Regierung. Englisch lernen in Los Angeles liegt darum in diesem Sommer kaum drin.

Jetzt ist Nähe im Trend. Sandro Mauchle sagt: «Sprachkurse in der Schweiz oder in Destinationen, die mit dem Zug erreichbar sind, ­werden derzeit am meisten nachgefragt.»

Bei Boa Lingua und EF setzt man derweil auf die Karte Langfristigkeit. Ein Grossteil der Kunden brach ihre Sprachreise in diesem Frühjahr vorzeitig ab – oder trat sie gar nicht erst an. Viele haben den Sprachaufenthalt daher auf Herbst oder auf nächstes Jahr verschoben.

Das hat Folgen für die Kapazität, wie Regula Knechtle von EF sagt: «Wir rechnen damit, dass die Plätze an unseren Schulen im nächsten Jahr früher als sonst ausgebucht sein werden.» Eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Alles hänge stark davon ab, wie sich die Pandemie in den Ländern entwickle, in denen EF Partnerschaften mit Sprachschulen unterhalte.

Viele Maturanden verzichten ­­auf ihr Zwischenjahr

Vorerst aber werden Boa Lingua und EF einige ihrer Stammkunden fehlen: die Maturandinnen und Maturanden. Für sie steht eine Sprachreise für gewöhnlich ganz oben auf der Liste, wenn sie die Schule abschliessen. Erst einmal eine Pause einlegen, ­bevor man entscheidet, was das richtige Studium für einen ist.

Doch viele beginnen wegen der unsicheren Situation sofort mit der Ausbildung an einer Hochschule. Die Universität Zürich zum Beispiel ­verzeichnet 15 Prozent mehr Anmeldungen für das kommende Herbstsemester als in vorherigen Jahren, berichtete das SRF vergangene Woche.

Auch den Sprachreiseanbietern ist diese Entwicklung nicht entgangen. Für Sandro Mauchle von Boa Lingua ist das aber kein Grund zur Sorge: «Wir können uns sehr gut vorstellen, dass ­diese Personen einen Sprachaufenthalt in ihren Semesterferien oder nach dem Studium planen.» Längere Sprachreisen seien auch bei EF stark nachgefragt, sagt Regula Knechtle. Jetzt, wo sich die Lage imArbeitsmarkt verschärfe, wollten sich viele weiterbilden und eine Fremdsprache erlernen.

veröffentlicht: 7. Juli 2020 05:00
aktualisiert: 7. Juli 2020 05:00
Quelle: CH Media

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