«Er hinterlässt eine grosse Lücke»

20.07.2016, 13:35 Uhr
· Online seit 20.07.2016, 11:57 Uhr
Zirkusproduzent, Kunstmaler und Lebenskünstler Rolf Knie kannte Clown Dimitri seit dem Ende der 1960er Jahre. Im Interview spricht er über ihre spezielle Beziehung und den Menschen hinter der Schminke. Und er verrät, was er Dimitri noch sagen wollte.
René Rödiger
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Herr Knie, wie haben Sie Dimitri kennengelernt?

Das war 1969. Mein Vater wollte Dimitri für den Zirkus engagieren. Alle dachten damals: «Jetzt spinnt der Fredy Knie, was will denn der mit Dimitri? Der passt nicht in einen Zirkus.» Wir haben ein Vorsprechen organisiert - und es war ein Riesenfiasko.

Und trotzdem wurde er engagiert.

Ja, mein Vater fand das Vorsprechen gut. Er meinte, dass man nun wenigstens wisse, wie hart wir im Winter trainieren müssten. Dimitri und ich arbeiteten hart und schliesslich wurde es ein Riesenerfolg. Für mich war es zudem die beste Schule.

Inwiefern?

Dimitri hatte ein enormes Gefühl fürs Timing. Er hat das gelebt. Wenn ich ihm eine halbe Sekunde zu spät das Instrument aus der Hand genommen hatte, kam er nach der Vorstellung zu mir und sagte: «Rölfi, du warst nicht konzentriert.» Er war einer der wenigen, der in der Unterhaltungsbranche, wie das Wort schon beinhaltet, viel Haltung gezeigt hat. Privat und auch auf der Bühne.

Welches war Ihr Höhepunkt mit Dimitri?

Es sind so viele. Das erste Jahr im Zirkus lebte er mit seiner ganzen Familie in einem Wohnwagen. Seine kleinen Kinder und seine Frau waren da. Ich ging da oft zum Z'Morge hin und hatte wunderbare Gespräche.

Welche Bedeutung hatte Dimitri?

Ich sehe nicht, dass jemand diese Art von Komik noch kann. Heute sind alle redegewandte Conférenciers, die einen Witz nach dem anderen erzählen. Aber sie beherrschen die Körpersprache nicht mehr. Man kann zur Komik Dimitris stehen, wie man will, aber er hat eine Art von Komik in Reinkultur präsentiert. So einen wie Dimitri wird es keinen mehr geben.

Sein Tod ist aber nicht nur ein Verlust für die Komik.

Nein, auch persönlich ist das ein ganz grosser Verlust. Da sind die Worte zu schwach, um das zu beschreiben. Das Traurige in meinem Alter ist, dass Leute, die ich bewundere, Leute, die ich achte und mit denen ich mich gerne messe, jetzt sterben.

Wie war Dimitri als Mensch?

Er war authentisch, auch auf der Bühne. Deshalb hat man ihm das auch abgenommen. Er hat sich selbst gespielt. Als Mensch wollte er nur Freude bereiten. Er wollte keine grossen, philosophischen Gespräche führen, er wollte nicht ergründen, wieso er Clown ist. Er liebte die Menschen, er liebte die Unterhaltung. Das hat man im täglichen Leben gespürt.

Wann haben Sie von seinem Tod erfahren?

Sein Sohn hat mich gestern aus Florida angerufen und es mir gesagt.

Ihre erste Reaktion?

Auf der einen Seite grossen Schmerz, auf der anderen Seite grosse Erleichterung.

Erleichterung?

Er konnte so würdevoll sterben, wie er auch gelebt hat. Er starb gesund. Das hat er verdient, das ist der Trost in der ganzen Sache. Er hatte ein sehr erfülltes Leben.

Was würden Sie Dimitri noch gerne sagen?

Er soll mir verraten, auf welcher Wolke er sitzt. Dann kann ich ihn später finden und wir werden auch im Himmel unsere erste gemeinsame Vorstellung geben.

Interview: Anja Müggler

veröffentlicht: 20. Juli 2016 11:57
aktualisiert: 20. Juli 2016 13:35

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