Schweiz

Finanzielle Ausfälle: Nationalrat will Industriezölle beibehalten

04.06.2020, 11:30 Uhr
· Online seit 04.06.2020, 11:26 Uhr
Die grosse Kammer ist der Ansicht, dass Konsumenten nur wenig von der Aufhebung profitieren würden. Hingegen könnte die Massnahme ein grosses Loch in die Bundeskasse reissen.
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(sku) Importierte Kleider, Autos, Haushaltsgeräte oder Körperpflegeprodukte sollen billiger werden. Das will der Bundesrat erreichen, indem er die Industriezölle abschafft. Gleichzeitig sollen Unternehmen damit finanziell entlastet werden. Mit diesen Massnahmen will der Bundesrat gegen die Hochpreisinsel Schweiz vorgehen. Stimmt das Parlament zu, sollen die Industriezölle per 1. Januar 2022 aufgehoben werden.

Im Nationarat fand der Bundesrat kein Gehör. Die grosse Kammer lehnte die Aufhebung der Industriezölle am Donnerstag nach einer hitzigen Debatte ab und folgte damit der Empfehlung ihrer Wirtschaftskommission. Am Ende blieb es für die Gegner fraglich, ob die Konsumenten tatsächlich von dieser Massnahme profitieren würden. Diese würden überschätzt und seien rein zufällig, befand die Mehrheit.

Hingegen würden gegen die daraus resultierenden Steuerausfälle von rund 500 Millionen Franken für den Bund sehr real und angesichts der sich abzeichnenden äusserst schwierigen Bundesfinanzlage nicht vertretbar sein. «Wir können uns dieses Loch in der Bundeskasse nicht leisten», kommentierte etwa der St. Galler CVP-Nationalrat Markus Ritter. Die Zolleinnahmen auf Industriegüter summierten sich 2018 auf 560 Millionen Franken. Eine Gegenfinanzierung schlägt der Bundesrat nicht vor.

Weiter sei die Abschaffung der Zölle nur einseitig. Dadurch würde die Schweiz an Verhandlungsmasse bei der Verhandlung neuer Freihandelsabkommen verlieren und der Druck auf die Agrarzölle würde sich massiv erhöhen.

Wettbewerbsfähigkeit sollte Mindereinnahmen wettmachen

Die Befürworter aus den Reihen der FDP und SVP argumentierten vergeblich mit der finanziellen und administrativen Entlastung für die Unternehmen und mit der Stärkung der hiesigen Standortattraktivität. «Der Bundesrat hat die Ausfälle berücksichtigt», versicherte Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Die erwarteten positiven Effekte in der Höhe von rund 860 Millionen Franken und die damit verbundene höhere Wirtschafts- und Handelsaktivität würden einen Teil der Mindereinnahmen wieder wettmachen. Der Bundesrat schlug zudem ein Monitoring vor, um sicherzustellen, dass die Gewinne auch an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden.

Der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) reagierte umgehend. Er kritisierte in einer Mitteilung, der Nationalrat lasse die Industrie mitten in einer Krise hängen. Laut Swissmem würden die positiven Effekte durch die gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit dem Bund mittelfristig höhere Einnahmen als die heutigen Industriezölle bescheren. Aus denselben Gründen bezeichnet der Schweizer Textilverband den Entscheid des Nationalrats gar als «Ohrfeige». Beide Verbände fordern nun den Ständerat auf, diesen Vorentscheid zu korrigieren.

veröffentlicht: 4. Juni 2020 11:26
aktualisiert: 4. Juni 2020 11:30
Quelle: CH Media

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