Gastrosuissse

Gastro-Branche ist entsetzt – nur in diesen Kantonen darf man noch länger als bis 19 Uhr essen

12.12.2020, 07:55 Uhr
· Online seit 11.12.2020, 17:13 Uhr
Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer ist nach den Massnahmen, die der Bundesrat am Freitag getroffen hat, sauer. Insbesondere Gesundheitsminister Alain Berset wird scharf kritisiert.
Lucien Fluri
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Vielleicht ist er empört, vielleicht fassungslos. Wahrscheinlich beides. Casimir Platzer, der Präsident des Branchenverbandes Gastrosuisse, versteht die Welt nicht mehr. «Die Auswirkungen sind dramatisch», sagt er zu den Entscheiden, die der Bundesrat getroffen hat. Unzählige Betriebe seien nun in ihrer Existenz gefährdet.

«Der Bundesrat würgt dem Gastgewerbe schlicht die Luft ab. Es ist ein Tod auf Raten», so sein trauriges Fazit. Am Mittag fehle wegen der Homeoffice-Empfehlung so oder so die Kundschaft. Und jetzt, wo die Betriebe abends um 19 Uhr schliessen müssten, werde auch noch das Abendgeschäft wegfallen. Damit befände sich die Gastrobranche de facto in einem Lockdown; nur dass der Bund anders als bei einem richtigen Lockdown keine Entschädigungen zahlen wolle. «Der Bundesrat hatte den Mut nicht, die Restaurants zu schliessen, weil er die finanziellen Folgen nicht tragen will», so Platzer.

Gastrosuisse fordert bis zu 800 Millionen Franken – pro Monat

Die Massnahmen treffen eine Branche hart, die schon stark angeschlagen ist. Mehr als die Hälfte der Betriebe sei bereits in akuten Schwierigkeiten, erklärt Gastrosuisse-Direktor Daniel Borner. Der Umsatz sei Ende Oktober im Vergleich zur Vorjahresperiode um 50 Prozent tiefer gelegen. Und bis die angekündigte Härtefallregelung greife, sei es zu spät. Denn das dürfte in den meisten Kantonen Ende Februar werden. Gastrosuisse fordert deshalb «rasche und unbürokratische Unterstützungen», und zwar in Form von A-fonds-Perdu-Beiträgen.

Borner sprach von 600 bis 800 Millionen Franken pro Monat, die nötig seien, um die Umsatzverluste in Gastronomie und Hotellerie auszugleichen. Schon vor den jetzigen Entscheiden hatte der Verband gewarnt, dass zwei von fünf Betrieben nicht überleben könnten. «Und jetzt verschärft sich die Lage nochmals dramatisch.» Betroffen sind Tausende Mitarbeitende, die in der Tieflohnbranche wegen der Kurzarbeit nur 80 Prozent des Lohnes erhalten. «Dies geht unter die Haut», sagte am Freitag auch Bundesrat Ueli Maurer. Er rief das Parlament auf, hier im Rahmen des Covid-Gesetzes, das in der laufenden Wintersession in den beiden Kammern diskutiert wird, eine Lösung zu erarbeiten.

In der Romandie darf man länger offen haben

Gewisse Erfolge erzielten die Gastrobetriebe zwar noch gegenüber den ersten, am Dienstag vorgestellten Plänen des Bundesrates. So bleiben Betriebe am Sonntag geöffnet. Und in gewissen Fällen können die Kantone die Restaurants bis 23 Uhr offen lassen. Dies ist, Stand Donnerstag, in allen Westschweizer Kantonen der Fall, wo die Restaurants in den vergangenen Wochen geschlossen waren. In der Deutschschweiz dürfen die Restaurants einzig in Obwalden bis nach 19 Uhr offen bleiben. Das Wallis, Genf, Jura und Freiburg haben am Freitag schon mal bekräftigt, dass sie ihren Spielraum solange möglich nutzen und Öffnungszeiten bis 22 oder 23 Uhr erlauben wollen.

Trotzdem bringe diese Sonderregel wenig, sagt Platzer. Denn die vorgeschriebenen Werte könnten täglich ändern. «So können wir nicht arbeiten. Ich weiss wirklich nicht, was der Bundesrat überlegt.» Es brauche dringend Planungssicherheit. Deutliche Worte findet deshalb auch Muriel Hauser, Präsidentin von Gastro Fribourg:

Dass die Restaurants nicht wie gefordert grundsätzlich bis 23 Uhr offen bleiben dürfen, zeuge zudem von mangelndem Mut.

«Berset hat Hausaufgaben nicht gemacht»

Kritik liess Platzer insbesondere auf Gesundheitsminister Alain Berset einprasseln. Dieser habe seine «Hausaufgaben zwischen der ersten und der zweiten Welle nicht gemacht.» Weder habe Berset zusätzliche Intensivbetten geschaffen noch das Contact-Tracing im nötigen Rahmen aufgebaut. «Der Gesundheitsminister agiert nur noch sehr unglücklich und reaktiv.» Störend ist für Platzer etwa, dass aufgrund von mehreren Tage alten Zahlen entschieden wird, ob in einem Kanton Restaurants bis 23 Uhr offen sein dürfen, oder nicht. Dies widerspiegle nicht die tagesaktuelle Lage. Irritiert ist Platzer auch, weil der Bundesrat die Bemühungen der Kantone nicht honoriere, die Anfang Woche selbst Massnahmen beschlossen haben. «Die kantonalen Entscheide werden nun vom Bundesrat übersteuert.» Dies sei unverständlich. «Jetzt ist das Wirrwarr komplett.»

In Bern haben Gastrobetreiber für Samstag einen Streik angedroht. Takeaway-Angebote und Lieferdienste können weiterhin bis 23 Uhr geöffnet sein, wenn kantonale Vorschriften nicht einschränkender sind.

veröffentlicht: 11. Dezember 2020 17:13
aktualisiert: 12. Dezember 2020 07:55
Quelle: CH Media

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