Gegenkomitee nennt die SVP-Initiative eine Gefahr für die Schweiz

04.10.2018, 15:20 Uhr
· Online seit 04.10.2018, 10:15 Uhr
Vereint gegen die Selbstbestimmungsinitiative der SVP: Vertreter von Parteien, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nennen das Begehren eine Gefahr für die Schweiz. Die Wirtschaft, der Schutz der Menschenrechte und die internationale Handlungsfähigkeit würden leiden.
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Über die SVP-Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» wird am 25. November abgestimmt. Am Donnerstag legte das Nein-Komitee in Bern den Medien seine Argumente vor.

Die Initiative sorge nicht für Rechtssicherheit, sondern sie tue sie genau das Gegenteil, sagte der Aargauer FDP-Ständerat Philipp Müller. Der von der SVP ausgearbeitete Initiativtext sei eine Quelle von Inkohärenzen und Unsicherheit.

Die Rechtswissenschaftlerin Astrid Epiney hieb in dieselbe Kerbe: Der Initiativtext sage nicht, ab welchem Punkt ein bilaterales Abkommen ein Problem sei. Ebenso sei nicht klar, bis wann es neu ausgehandelt werden müsste.

Dass das Bundesgericht und Behörden sich an Verträge halten müssten, die in einem Referendum gutgeheissen worden seien, sorge ebenfalls für Probleme. Demzufolge müsse das Freizügigkeitsabkommen angewendet werden. Umgekehrt seien aber dessen Umsetzungsbestimmungen in den Augen der SVP nicht konform mit der Verfassung.

Wirtschaftsvertreter bekämpfen die Initiative, weil sie die 600 Verträge der Schweiz weltweit nicht gefährden will. Der Wirtschaft ist Rechtsunsicherheit für die Exportnation ein Dorn im Auge. Für die 97'000 exportorientierten Firmen im Land sei ein stabiler und sicherer Zugang zu den Weltmärkten unverzichtbar.

Die Initiative sei nicht gut gemeint und falsch gemacht, sondern sie sei eine «echt schlechte Idee», sagte François Gabella, Vizepräsident von Swissmem, dem Dachverband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie.

Ständerat Beat Vonlanthen (CVP/FR) setzte hinzu, dass der Ruf der Schweiz als verlässliche Vertragspartnerin weltweit auf dem Spiel stehe. Verträge neu auszuhandeln, dürfte kompliziert oder gar unmöglich werden.

Gefährdet wären aber auch die humanitäre Tradition der Schweiz und die Vermittlerrolle der Schweiz. Die Schweiz ist Standort eines Uno-Sitzes und ausserdem Depositarstaat der Genfer Konventionen. Die CVP will die Stimmenden denn auch mit der Frage, ob sie Henry Dunant verraten wollten, von einem Nein überzeugen.

Noch weiter will die SP gehen. Sie bringt auf ihrem Plakat Recep Tayyip Erdogan, Wladimir Putin und Donald Trump ins Spiel, mit der Aussage: «Die Schweiz macht nicht mit». «Wir gehen nicht in dieselbe Richtung wie die Türkei, Russland oder die USA», sagte dazu SP-Nationalrat Nadine Masshardt (BE).

Sie nannte die Initiative einen Frontalangriff auf den Schutz der Menschenrechte. Die Schweiz könnte gezwungen sein, sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMKR) zurückzuziehen.

«Wir hätten die Möglichkeit nicht mehr, uns bei einer Verletzung der Grundrechte vor dem Europäischen Gerichtshof zu wehren», setzte Andrea Huber, Geschäftsführerin der Allianz für Zivilgesellschaft - Schutzfaktor M, hinzu. Diese Möglichkeit sei ein Schutz für Fälle, wenn das Parlament zu weit gehe oder das Bundesgericht sich irre.

Die Rechtswissenschaftlerin Epiney machte schliesslich auch einen Angriff auf die Gewaltentrennung geltend: Dies tue die SVP, indem sie den Volkswillen verabsolutieren wolle. Gewaltenteilung sei aber nötig, damit eine Demokratie funktioniere, betonte Epiney.

Die Selbstbestimmungsinitiative verlangt, dass die Bundesverfassung künftig gegenüber dem Völkerrecht immer Vorrang hat - unter dem Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Gemeint sind damit laut SVP beispielsweise das Folterverbot, das Verbot von Sklaverei oder das Verbot des Völkermordes.

veröffentlicht: 4. Oktober 2018 10:15
aktualisiert: 4. Oktober 2018 15:20
Quelle: SDA

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