Nachrichtendienst

Geheimdienstchef Gaudin nimmt nach drei Jahren den Hut

12.05.2021, 14:58 Uhr
· Online seit 12.05.2021, 14:55 Uhr
Der Chef des Schweizer Nachrichtendienstes (NDB), Jean-Philippe Gaudin, verlässt die Behörde nach drei Jahren an der Spitze per Ende August. Der Bundesrat hat am Mittwoch einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrags zugestimmt.
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Der 58-jährige Militär und frühere Verteidigungsattaché in Paris will nach 34 Jahren im öffentlichen Sicherheitsdienst in die Privatwirtschaft wechseln, wie es in einer Mitteilung hiess. Verteidigungsministerin Viola Amherd dankte Gaudin demnach für dessen Einsatz im Dienste der Sicherheit der Schweiz und wünschte ihm für die Zukunft alles Gute.

Bis die Nachfolge geregelt ist, leitet der stellvertretende Direktor Jürg Bühler den Nachrichtendienst des Bundes interimistisch, wie es weiter hiess. Die Stelle des Direktors werde zu gegebener Zeit öffentlich ausgeschrieben.

Geheimdienst massiv ausgebaut

Der Waadtländer Gaudin leitet den Schweizer Geheimdienst seit Juli 2018. Unter seiner Ägide wurde die Behörde um rund hundert Stellen respektive einen Drittel ausgebaut. Er gilt als Mann der markigen Worte.

Seine dreijährige Amtszeit war geprägt von der Affäre um russische Spione in der Schweiz, vermehrter wirtschaftlicher Spionage aus China und einem erstarkten politischen Extremismus im Inland.

Durch die Affäre um manipulierte Verschlüsselungsgeräte geriet der NDB unter Gaudin in die Kritik. Mit den Maschinen der Zuger Firma Crypto sollen der US-Geheimdienst und der deutsche Nachrichtendienst im Wissen der Schweiz über 130 Staaten ausspioniert haben. Die Affäre ereignete sich zwar in den Jahrzehnten vor Gaudins Amtsantritt, doch brachten ihm der Umgang mit der 2020 publik gewordenen Affäre und eine angeblich späte Information des Bundesrats Kritik ein.

Vertrauter Parmelins

Bei seiner Wahl zum Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes galt Gaudin als Vertrauter von Bundesrat Guy Parmelin (SVP), dem Vorgänger der jetzigen Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP). Er ist Zweisternegeneral und war zuvor Militärattaché in Paris, nachdem er von 2008 bis 2015 den Militärischen Nachrichtendienst geführt hatte.

Zum genauen Grund für Gaudins Abgang an der Spitze des Geheimdienstes machte der Bund keine Angaben. Der «Tages-Anzeiger» berichtete am Mittwoch, dass unter anderem im Nachgang zur Crypto-Affäre das Vertrauen zwischen der Verteidigungsministerin und dem Direktor des Nachrichtendienstes erodiert sei.

Lücken festgestellt

Bei seinem Amtsantritt hatte Gaudin nach eigenen Angaben wegen knapper Ressourcen fast überall Lücken im Nachrichtendienst festgestellt, vor allem aber auf operationeller Ebene. Der Bundesrat bewilligte ihm danach rund hundert neue Stellen, die teils aus dem Verteidigungsdepartement verschoben wurden.

Die personelle Aufstockung sollte vor allem in Kernbereichen des Nachrichtendienstes wie der Terrorismus-Abwehr und der Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus eingesetzt werden. Just vor Gaudins Amtsantritt hatte der Nachrichtendienst per Gesetz erheblich mehr Kompetenzen erhalten. Er durfte fortan nach Genehmigung des Bundesverwaltungsgerichts Telefongespräche abhören, Privaträume durchsuchen und verwanzen, in Computer eindringen und Ortungsgeräte verwenden.

Im Inland machten dem Geheimdienst gewaltbereite Rechts- und Linksextreme Arbeit, die in der Schweiz immer aktiver werden. Zudem wurde die Schweiz laut dem Nachrichtendienst inzwischen einer der wichtigsten Standorte der Tätigkeiten des russischen Geheimdienstes in Europa. Für Verstimmung zwischen der Schweiz und Russland sorgten 2018 zwei Spione, die das Labor Spiez BE auskundschaften wollten. Daneben verstärkte sich auch die Wirtschaftsspionage aus China.

2019 warfen Politikerinnen und Politiker warfen dem NDB vor, gesetzeswidrig Informationen über sie gespeichert zu haben. Gaudin beteuerte dabei stets, der NDB halte sich ans Gesetz, dieser beobachte weder Politikerinnen und Politiker noch politische Parteien.

veröffentlicht: 12. Mai 2021 14:55
aktualisiert: 12. Mai 2021 14:58
Quelle: sda

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